Menschen im Mond
bereits, und ich würde mich wundern, wenn ich nicht noch einen dritten fände.“
„Ach?“
Oberst Chase wartete, bis sie den Lift verlassen hatten, dann faßte er Philip Dooley beim Arm und zwang ihn, stehen zu bleiben.
„Moment, Philip. Wie war das eben? Sie wissen, warum Stimson aus dem Fenster sprang?“
„Vermutungen, Oberst. Wie ich vorhin schon erwähnte, ist dies für mich der vierte Fall, und ich interessiere mich allmählich dafür, warum jemand grundlos aus dem Fenster springt. Ich wußte nicht, daß darüber schon Geheimakten vorliegen.“
„So?“ dehnte der Oberst mißtrauisch. „Im übrigen sind meine persönlichen Erinnerungen keine Geheimakten, angefangen bei Forrestal. Und selbst bei ihm weiß man nicht, warum er aus dem Fenster sprang.“
„Man weiß es“, behauptete Gorman gleichgültig. „Er hatte kurze Zeit vorher den Koordinierungsbefehl gegeben, nachdem Heer, Luftwaffe und Marine ihre getrennten Versuche, in den Raum vorzustoßen, aufgeben sollten, um die Forschung einem gemeinsamen Zentrum zu überlassen. Sein Tod erledigte diesen Befehl, so daß die Raumforschung weiterhin gründlich verzögert wurde. Das ist das Appartement.“
Der Oberst klappte den Mund fast hörbar zu. Philip Dooley preßte die Lippen aufeinander. Die beiden Polizisten an der Tür grüßten stramm. Einer von ihnen öffnete die Tür.
* *
*
Ruth Stimson war eine blonde Frau um die Dreißig herum. Sie sah jetzt erschreckt und sogar verstört aus, aber es ließ sich leicht erraten, was sie im Normalzustande zu bieten hatte. Sie war ebenso leer und ebenso poliert wie eine Blechtrompete.
„Und dabei habe ich nicht einmal ein Trauerkleid“, schluchzte sie gekonnt, während sie sich mit einem Fleckchen Taschentuch vorsichtig die Augenwinkel austupfte. „Aber John war schon immer so rücksichtslos. Ich verstehe das einfach nicht. Geht ins Schlafzimmer und – oh, wollen Sie nicht Platz nehmen? Das ist Mrs. Bruna Cavanaugh.“
Die Liliputanerin nickte wie eine große Dame. Sie saß auf einem runden Lederkissen mit orientalischen Ornamenten, das ein Stück vom Fernsehapparat entfernt auf dem Boden lag.
„Ich hoffe, Sie kennen mich, meine Herren“, sagte Bruna Cavanaugh. „Ich bin bei Ruth geblieben, um sie zu beruhigen. Es war wirklich ein Schock. Bitte, nehmen Sie doch Platz. Sie sind Mr. Gorman? Oh, welch wunderbarer Mondstein!“
„Ja, ja“, nickte Gorman wieder geistesabwesend und blickte auf den großen, durchscheinend geäderten Stein an seinem Finger. „Wirklich wunderbar! Auf Diaselenium gekittet. Ein seltener Fall. Für Sie freilich kaum etwas Besonderes. Oder?“
Philip Dooley reckte unwillkürlich den Kopf vor. Für eine Sekunde schien sich alles zu verändern. Dieser matte Nicholas Gorman sah plötzlich aus, als wollte er die Liliputanerin mit seinen Augen an die Wand nageln, und Bruna Cavanaugh besaß im gleichen Augenblick ein breites, zerlaufenes Gesicht. Es war etwas Idiotisches an ihr, das an den Nerven riß. Gleich darauf fing sie sich jedoch wieder und lächelte puppenhaft.
„Oh, ich sehe so etwas zum ersten Male. Darf ich …?“
„Nein!“ lehnte Gorman brüsk ab und drehte sich zu Ruth Stimson herum. „Wo sind die Aufnahmen?“
„Oh, was für Aufnahmen?“ fragte sie erschreckt.
„John rief mich an. Er sprach von einigen Aufnahmen, die mich interessieren würden.“
„Ja, ja, ich weiß schon“, gab sie hastig zu. „Deshalb ist er doch den ganzen Tag nicht aus der Dunkelkammer herausgekommen. Sie liegen drüben am Fenster. Er hat sie zerrissen, bevor – bevor …“
„Schon gut“, seufzte Gorman und ging durch die Tür ins Schlafzimmer, ohne zu beachten, daß Dooley ihn zurückhalten wollte. Er kam wenig später zurück. In seiner Hand hielt er einige größere Fetzen von Farbfotos.
„Das sind nicht die richtigen, Mrs. Stimson“, sagte er feindselig und scharf. „John sprach vom Mare Monroe.“
„Wieso?“ fragte sie verwirrt, während sie an ihn herantrat. „Mein Gott, Sie wollen mir doch nicht etwa noch Scherereien machen, Mr. Gorman? Sie lagen am Fenster, und es waren bestimmt die Aufnahmen für Sie, denn er hat sie mir extra vorher gezeigt. Em sagte – aber das sind doch gar nicht die richtigen!“
Sie riß ihm die Papierstücke aus der Hand, ging sie hastig durch und gab sie ihm zurück. Sie blickte ratlos durch den Raum. Dann verschloß sich ihr Gesicht.
„Nun, Mrs. Stimson?“ drängte Gorman
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