Menschen minus X
sie im Fall eines gewaltsamen Endes neu zu erschaffen. Wir hätten das auch längst tun sollen.“
Lächelnd tat Jack Dukas die Besorgnis ab, die aus ihren Worten sprach. „Da haben wir es wieder! Das fürsorglich liebende und vorausschauende Weib im Kampf gegen den starrköpfigen Unverstand des Mannes, der die Erfordernisse der Zeit mißachtet und sich weigert, Körper und Geist registrieren zu lassen, weil er es unnatürlich findet! Aber mach dir deshalb keine Sorgen, mein Liebling! So leicht werde ich mir meine künftigen Jahrhunderte nicht entgehen lassen. Du weißt ja, daß ich bei meiner Arbeit mit nichts Gefährlichem in Berührung komme. Unsere allgemeinen Sicherheitsvorkehrungen gegen mögliche Zwischenfälle im täglichen Leben sind doch ziemlich vollkommen. Und im Fall einer großen Katastrophe dürften auch die präzisesten Registrierungen nichts mehr nützen. Denn dann wäre vermutlich alles Leben vorbei.“
Zum bedeutsamsten Ereignis für den damals fünfjährigen Eddie aber wurde der erste Besuch Mitchell Prells im Hause der Eltern. „He, Schlingel!“ lauteten die ersten Worte, die der Onkel zu ihm sprach – Mutters Bruder, ein schmächtiger kleiner Mann mit dunkelgrauen Haaren, ein berühmter Wissenschaftler, von dem alle Welt sprach – Dr. Mitchell Prell!
Viel zu sprechen pflegte Onkel Mitch nicht. Im Gästezimmer, das man ihm eingeräumt hatte, stellte er seltsame Apparate und Instrumente auf, die ein braves Kind betrachten durfte, wenn es gelobte, sie nicht zu berühren. „Natürlich machen wir Fortschritte; die lunare Einsamkeit bietet uns vorzügliche Arbeitsvoraussetzungen“, erwiderte er auf eine von Vaters Fragen. „Die Antriebsaggregate für Transgalaktische Raumschiffe sind seit Monaten fertigentwickelt und werden bereits in Serie gebaut. Allerdings vorerst nur für Versuchszwecke – bis das erste Transgalaktische Raumschiff zum Alpha Centauri oder zum Sirius startet, werden noch ein paar Jahre vergehen. Die Aggregate erzeugen ein beinahe unvorstellbares Übermaß an Kraft … Nein, Jack – etwa ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit dürfte das erreichbare Maximum sein. Eine Reise zu anderen Fixsternen wird immer ziemlich viel Zeit erfordern – im alten irdischen Sinne.“
Bald entdeckte Eddie, daß Onkel Mitch etwas ganz Merkwürdiges mit sich führte – ein sich windendes und ringelndes Etwas in einer Glasröhre, das sich warm wie natürliches Menschenfleisch anfühlte und, wenn es gelegentlich zur Ruhe kam, die Form einer spannlangen schlanken Walze annahm. „Nennt es lebendig, wenn ihr wollt“, sagte Onkel Mitch nur. „Aber auf andere Art lebendig als wir – erfunden und künstlich erschaffen und viel widerstandsfähiger als unser Fleisch. Wartet ab, was dabei noch herauskommt. Vielleicht ist es der Stoff, aus dem eines Tages der Übermensch entsteht. Übrigens arbeitet Guido Schaeffers hier auf der Erde an dem gleichen Versuch.“
Eine Woche blieb Onkel Mitch. Dann kehrte er mit einer der außerplanmäßigen Kurierraketen zu seinen Laboratorien zurück, die man aus Gründen der Sicherheit inmitten eines der weiten Mare auf der stets von der Erde abgekehrten Halbkugel des Mondes errichtet hatte.
Die Jahre vergingen. Als Eddie zwölf Jahre wurde, hatten Sport und Schule, vor allem aber sein erwachtes Bewußtsein für die Realitäten des Lebens, seinen Körper gestählt und seinen Verstand heranreifen lassen. Das war gut so; denn dieses Jahr sollte nicht nur sein persönliches, sondern der ganzen Menschheit Schicksalsjahr werden …
Es kam der Tag, an dem die Haushaltsroboter das Gästezimmer wieder für Onkel Mitch herrichteten. Dad war unterwegs, hundert Meilen weit fort im Gebirge, um ein Quarzkristallvorkommen zu inspizieren, das an die Mondlaboratorien verschickt werden sollte.
Neun Uhr abends: Dad war noch nicht zurück. Eddie lag auf seinem Bett. Er dachte an Onkel Mitch und an seine jungen Freunde aus der Nachbarschaft, denen er von seinem Onkel und dessen bevorstehender Ankunft erzählt hatte – ziemlich großsprecherisch, wie sich verstehen läßt. Denn Onkel Mitch …
Und das geschah in diesem Augenblick: Sämtliche Radiostationen verbreiteten eine Warnung vor höchster Gefahr – unermeßliche Energien seien hoffnungslos der Kontrolle der Mondlaboratorien entglitten! Aber Eddies Radio war nicht eingeschaltet, und so, hörte er nichts davon.
Durch die Fenster seines Zimmers schimmerte das bleiche Mondlicht herein. Der Mond sah kaum
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