Menschen und Maechte
Antwort: »Wir haben Prinz Sihanouk geraten, nach einer Befreiung Kambodschas von Vietnam nicht zum Sozialismus zurückzukehren. Er möge ein friedliches blockfreies Land aufbauen. Wir hätten auch nichts dagegen, wenn sich Kambodscha ASEAN anschließen will.«
Nachdem das Gespräch auf Japan übergegangen war, sagte ich: »Auch Japan ist in Ihrem Sinne ein nicht zu versenkender Flugzeugträger. Und gerade weil die Japaner wissen, daß sie sich gegen die Sowjetunion nicht selber verteidigen können, kann sich ihre
Abhängigkeit von den USA eher noch steigern. Dies wiederum muß die Sowjets irritieren. Mir kommt es so vor, als stünden die Japaner vor einem langfristigen Dilemma. Einerseits wollen sie ihre politische Abhängigkeit von Amerika verringern, andererseits aber wollen sie diesen Prozeß nicht zu weit treiben, damit durch eigene Rüstung nicht die anderen asiatischen Staaten beunruhigt werden.«
China verfüge über gute Beziehungen zu Japan, meinte Deng; wenn es überhaupt Probleme gebe, so deshalb, weil in Japan einige Leute wirtschaftliche Stärke in politische und militärische Macht verwandeln wollten. »China ist darüber nicht allzusehr beunruhigt, aber Sie haben recht, andere Länder macht das besorgt.«
Ich hielt dagegen: »Ich war häufig in Japan, aber von einem neuen Militarismus habe ich nichts bemerkt. Wenn Sie im Grunde für mehr Unabhängigkeit Japans von den USA sind, so wäre es nur konsequent, Japan eine etwas größere Selbständigkeit in seiner Verteidigung zuzugestehen.«
Deng widersprach temperamentvoll und heftig: »Nein, nein! Wenn Japan ein größerer politischer Faktor in der Welt werden will, so ist das in Ordnung, es ist ja bereits ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor. Aber wenn Japan auch auf militärischem Gebiet nach größerer Bedeutung suchen sollte, so kann das nur Besorgnis auslösen, überall in Asien. Kurz gesagt: Für Japan ist es besser, etwas bescheidener zu sein.« Bei all seiner Nüchternheit und der durchaus realistischen Einschätzung der weltpolitischen Lage war offenbar auch für Deng die Erfahrung der japanischen Besetzung Chinas ein Trauma. Schließlich fragte ich Deng nach der Haltung Chinas zu den USA.
»Die Außenpolitik der USA hat ähnliche Schwächen wie diejenige der Sowjetunion. Ihr tatsächliches Handeln entspricht oft nicht dem, was ihr Mund sagt. Partnerschaft ohne Gleichheit, wie kann das funktionieren? Zwischen China und den USA gibt es die Meinungsverschiedenheiten über Taiwan. Reagan hat einmal gesagt, Taiwan sei eine potentielle Krise. Im Shanghai-Protokoll hatte Washington anerkannt, daß Taiwan ein Teil Chinas ist. Aber die amerikanische Politik ist nach wie vor schwankend. Der Kongreß hat Beschlüsse gefaßt, die in ganz andere Richtung gehen als das
Shanghai-Protokoll. Tatsächlich legen sie immer noch zwei Chinas zugrunde, wobei sie Taiwan als Teil ihrer eigenen Interessensphäre ansehen. Außerdem sieht Washington in Taiwan eine eigene Basis; man hält an der Politik der ›vier Flugzeugträger‹ fest.« Gemeint waren Taiwan, Israel, Mittelamerika und Südafrika.
»Könnte nicht eines Tages«, fragte ich, »die Art und Weise, in der jetzt das Hongkong-Problem gelöst wird, auch für das TaiwanProblem ein Beispiel sein?« Dazu Deng sehr knapp: »Das hoffe ich auch.«
Nach einer guten Stunde brachte ich das Gespräch auf die chinesische Armee und auf Dengs Rolle an ihrer Spitze. Er war damals zugleich Vorsitzender der Militärkommission des ZK der Partei und der Zentralen Militärkommission des Staates. Obgleich er nicht das höchste Parteiamt innehatte und nicht der Regierung angehörte, war er de facto der Oberbefehlshaber über vier Millionen Soldaten. Zur Zeit unseres Gespräches stand eine große Militärparade aus Anlaß des 35. Jahrestages der Staatsgründung bevor.
Mit der Armee, meinte Deng, habe man keine Probleme; allerdings gebe es viele überalterte militärische Führer. »Aber Sie sehen ja, die Armee braucht einen noch älteren Veteranen wie mich als Oberbefehlshaber.« In ein paar Jahren wolle er aber von dieser Aufgabe befreit werden. Es sei nicht gut, wenn militärische Spitzenposten von Siebzigjährigen besetzt sind und der Oberbefehlshaber sogar achtzig ist. Die Regimentskommandeure sollten eigentlich nicht älter als dreißig, die Divisionskommandeure nicht älter als vierzig sein.
Das kam mir sehr jung vor; ich könne mir fünfzigjährige Divisionäre gut vorstellen, warf ich ein. »Nein, auf keinen
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