Menschen und Maechte
Fall«, widersprach Deng. »Über den Divisionskommandeuren gibt es doch noch weitere Ränge, und deren Inhaber werden dann zu alt. Schon die Chefs der Armeegruppen sollten nicht älter sein als fünfzig. Aber natürlich ist das nur langsam zu erreichen.«
Ich fragte nach der politischen Haltung der Generalität. »Die Armee will keine neue Kulturrevolution … Wir wollen die Armee modernisieren. Aber einstweilen wollen wir nicht zuviel Geld dafür abzweigen. Erst einmal kommt die Wirtschaftsreform, danach
werden wir uns der Armee zuwenden. Auch unsere Nuklearbewaffnung ist zur Zeit eigentlich nur symbolischer Natur, jedenfalls ist sie nicht groß. Wir sehen ja, wie eng das wirtschaftliche Versagen der Sowjetunion mit ihren weit überhöhten Militärausgaben zusammenhängt.«
Wenngleich mir der angebliche Symbolcharakter der chinesischen nuklearen Streitkräfte eine Untertreibung zu sein schien, so war doch die Bemerkung über die ökonomische Beeinträchtigung der Sowjetunion durch ihre Rüstung ganz zutreffend. Sie gab Gelegenheit, auf die bevorstehenden chinesischen Wirtschaftsreformbeschlüsse überzuleiten. Ich berichtete Deng von meinem Gespräch mit Zhao Ziyang; er habe mir einen sehr eindrucksvollen Vortrag über die bevorstehende Wirtschaftsreform gehalten. Wo er eigentlich seine bemerkenswerten ökonomischen Kenntnisse her habe? Er sei besser informiert als viele westliche Staatsmänner.
»Zhao hat sich alles, was er weiß, bei seiner Arbeit angeeignet, auf Grund der Erfahrungen, die er in der Praxis gemacht hat. Schon als Sechzehnjähriger hat er sich der Revolution angeschlossen, und dann hat er lange in der Provinz gearbeitet. Als ich 1975, weil Mao und Zhou beide schwer krank waren, praktisch allein für Partei und Staat verantwortlich war, gehörte Zhao zu meinen Mitarbeitern. Danach ist er während einer Krisensituation für drei Jahre in die Provinz Sezuan gegangen; er hat dort die Hungersnot überwunden – und zwar durch eine reformierte Agrarpolitik.«
Ich meinte, ein solcher Weg sei aber doch nur im Ausnahmefall möglich. Wie wolle China denn prinzipiell seine jüngeren Wirtschaftsmanager heranbilden? Deng sagte, natürlich müsse man jetzt auf Schulen und Universitäten bauen. Wichtig sei aber, daß man die fähigen jungen Leute ins Ausland schicke; mehr als zehntausend junge Leute studierten bereits in den USA, etwa tausend in Deutschland. Aber auch die Unternehmen selbst bildeten junge Manager aus. Ich warf ein, ich hätte während meiner Rundreise Direktoren getroffen, die mir überraschend jung erschienen seien, viel jünger als in Europa.
Deng bestätigte die Beobachtung und fügte hinzu: »Wir hätten noch viel mehr jüngere Leute in Spitzenpositionen bringen sollen!
Man muß die begabten jungen Leute aus dem ganzen Land herausfiltern. Damals, auf der dritten Sitzung des ZK Ende 1978, haben wir mit einer Reihe von mutigen Beschlüssen das Problem der ländlichen Wirtschaft gelöst. Die neue Agrarpolitik wird jetzt seit sechs Jahren angewendet, und Sie sehen ja die Resultate. Mit der neuen, offenen Wirtschaftspolitik machen wir jetzt einen Versuch, diese Erfahrungen vom Land auf die Städte zu übertragen. Aber natürlich sind die Probleme der städtischen Wirtschaft von wesentlich komplexerer Natur …
Natürlich muß China auch weiterhin seine Anstrengungen im wesentlichen auf seine ländlichen Gebiete konzentrieren. Denn dort leben vier Fünftel unserer Menschen. Wir müssen versuchen, sie davon abzuhalten, in die Städte abzuwandern. Zwar hat man während der Kulturrevolution viele junge Leute aus den Städten auf das Land geschickt, aber dort gab es ja gar keine Arbeitsplätze für sie, und so sind sie zurückgekehrt.
Übernähmen wir das kapitalistische System, so ließe sich das Problem der Arbeitslosigkeit nicht lösen. Die Arbeitslosenkrise in Europa ist doch nur der Ausfluß des kapitalistischen Systems. China wächst jedes Jahr um sieben oder acht Millionen Menschen, die einen Arbeitsplatz brauchen. Die Arbeitslosigkeit ist Chinas zentrales Problem. Deshalb haben wir neue Betriebe und damit neue Arbeitsplätze geschaffen, aber eben dazu mußte die Struktur unserer Wirtschaft flexibler gemacht werden. Deshalb haben wir auch die Unternehmen ständig zur Öffnung neuer Produktionsbereiche ermuntert, auch Unternehmungen im genossenschaftlichen oder privaten Besitz …«
Ich dachte an das magische Viereck der Wirtschaftspolitik, über das ich ausführlich mit Zhao gesprochen
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