Menschen und Maechte
daß der Integrationsprozeß der Europäer darunter gelitten habe und infolgedessen auch die Selbständigkeit gegenüber den USA.
Deng lenkte das Gespräch auf die Sowjetunion. »China sucht seine Beziehungen zur Sowjetunion zu verbessern, aber dafür müssen erst einmal Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Die Sowjetunion hat einen Kurs eingeschlagen, der Chinas Sicherheit bedroht. Wie steht es mit der europäischen Lage?«
Neun Jahre nach seinem ersten Chinabesuch, im September 1984, reiste Helmut Schmidt – nunmehr als Privatmann – zum zweitenmal in die Volks-republik.
Im Gespräch mit Ministerpräsident Zhao Ziyang ging es vor allem um die Wirt-schaftsreformen.
Abb 21 Besonders herzlich war das Wiedersehen mit dem achtzigjährigen Deng.
»Auch bei uns«, erwiderte ich, »haben sich die Beziehungen zur Sowjetunion seit 1976 verschlechtert. Das hat zum Teil mit den auf Europa gerichteten SS-20-Raketen zu tun. Aber auch die Invasion Afghanistans hat Europa schockiert. Es gibt weitere Gründe. Auch wir hoffen auf eine Verbesserung der Beziehungen zu Moskau, und wir drängen auf Rüstungsbegrenzung.«
Deng: »Ich vermute, die Sowjetunion wird immer neue Schwierigkeiten machen, was den Abzug ihrer Raketen anlangt. Aber die Amerikaner sind auch nicht sehr vernünftig. Sie handeln anders, als sie reden.
Die Sowjetunion ist wie China ein sozialistisches Land. Wieso kam es dann zum Bruch zwischen uns? Weil die Sowjetunion ständig versucht hat, sich in die chinesischen Angelegenheiten einzumischen, weil Moskau alles unternahm, China zu kontrollieren. Die Russen wollten den Großen Bruder spielen. Als wir uns dagegen wehrten, hat der Kreml einfach Verträge zerrissen, die beide Länder geschlossen hatten. Schließlich hat sich die Sowjetunion ganz offen gegen China gestellt. Überall hat sie die Staaten Südostasiens gegen uns aufzuwiegeln gesucht.«
Ich fragte nach der Rolle, welche die Sowjetunion in Vietnam gespielt hatte. »Wissen Sie«, erwiderte Deng, »für Moskau ist Vietnam ein nicht zu versenkender Flugzeugträger. Die Sowjetunion verfolgt dort die gleiche Strategie, wie es die USA mit Taiwan tun. – Man nennt die Sowjetunion noch immer ein ›sozialistisches Land‹. Aber die sowjetische Politik hat mit sozialistischer Politik und mit marxistischen Grundsätzen wenig zu tun.«
»Mir kommt es so vor, als folge die sowjetische Außenpolitik, was ihre politischen Ziele und ihre geographischen Stoßrichtungen anlangt, weniger sozialistischen Idealen als vielmehr historisch gewachsenen russischen Traditionen der Expansion.«
»Das ist wohl so«, meinte Deng, »deshalb glaube ich noch nicht, daß ein Personenwechsel an der Spitze zu Veränderungen in den Grundlinien der sowjetischen Außenpolitik führen wird. Sehen Sie,
China hat Vietnam in dessen Unabhängigkeitskriegen erst gegen Japan, dann gegen Frankreich und schließlich gegen die USA ständig unterstützt. Wir haben dem vietnamesischen Volk Güter im Werte von mehr als zwanzig Milliarden Dollar – zu damaligen Preisen – geliefert, und das zu einer Zeit, in der wir selber jeden Dollar brauchten. Aber ein paar Jahre später hat sich Vietnam, von der Sowjetunion beeinflußt, gegen China gestellt. Man hat Hunderttausende von Chinesen aus Vietnam vertrieben. Dann hat es immer neue Aggressionen an der Grenze zu China gegeben.
Schließlich kam es zur Besetzung Kambodschas, nachdem Pol Pot dort große Fehler begangen hatte. Diese vietnamesische Invasion hat eine großvietnamesische Föderation zum Ziel. China will keine vietnamesische Hegemonie in dieser Region. 1979 haben wir daher den Vietnamesen eine Lektion erteilen müssen. Damit wir richtig verstanden werden, haben wir diese Lehre noch ein paarmal in kleinerem Maßstab wiederholt. Falls Vietnam den Rückzug aus Kambodscha weiterhin ablehnt, behalten wir uns das Recht vor, Vietnam erneut eine Lektion zu erteilen. Bei alledem genießt Vietnam die volle sowjetische Unterstützung; deshalb ist die vietnamesische Besetzung Kambodschas eines der drei hauptsächlichen Hindernisse der Normalisierung unserer Beziehungen zur Sowjetunion. Unsere Beziehungen zu Vietnam können sich am Tage nach dem vietnamesischen Rückzug normalisieren.«
Dann kam Deng auf Laos zu sprechen; aber immer wieder kehrte er zu Kambodscha zurück. Ganz offensichtlich war dies ein besonders heikler Punkt für Beijing. Ich wußte von Prinz Sihanouk, wie sehr seine Rolle von China abhängt, und fragte Deng danach. Die
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