Menschen und Maechte
arabischen Staaten, nicht von Schwarzafrika, nicht von Lateinamerika und nicht von der »Gruppe der 77«, die bei vielen Gelegenheiten immerhin mehr als einhundert Entwicklungsländer vertritt. Gleichwohl bleibt es eine Tatsache, daß die USA, die Sowjetunion und China nicht nur geostrategisch und hinsichtlich ihrer Ausdehnung, sondern auch auf Grund ihrer jeweils zentral gesteuerten politischen und militärischen Machtmittel alle anderen Staaten der Welt weit überragen.
Daran kann auch die nukleare Qualität Englands und Frankreichs im 21. Jahrhundert nichts Wesentliches mehr ändern, obschon sie gegenwärtig derjenigen Chinas noch erheblich überlegen scheint. Andere Staaten, die entweder auf dem Wege zu nuklearen Waffen sind oder die im verborgenen bereits über nukleare Waffen verfügen, können sich schon heute nicht mit China vergleichen.
Die Vorrangstellung der drei Weltmächte bedeutet nicht, daß sie in ihrer jeweiligen Region frei schalten und walten können. Daran hindern sie moralische Rücksichten, innen- und wirtschaftspolitische Gründe, auch die Erwägung, mögliche gegnerische Kombinationen oder Allianzen kleinerer Staaten nicht zu provozieren oder die eigenen Bündnispartner nicht zu verprellen, schließlich die Besorgnis, eine der beiden anderen Weltmächte (oder ihre Verbündeten) könnte eine prekäre Situation ausnutzen und eingreifen. Auf Grund solcher Erwägungen konnte die Sowjetunion einen Erfolg in Afghanistan nicht mit etwaiger Massierung ihrer Gewalt erzwingen; deshalb konnte China den Krieg zwischen Vietnam und Kambodscha nicht gewaltsam beenden und Pol Pot nicht retten; deshalb können weder die Sowjetunion noch die USA es wagen, im Nahen Osten militärisch zu intervenieren – Reagans Waffenlieferungen an den Iran sind nur taktische Spielereien –, obschon immer wieder auch ihre eigenen Interessen auf dem Spiele stehen. Kein amerikanischer Präsident kann in Kuba, Nicaragua oder sonstwo in Mittelamerika und in der Karibik mit militärischer Gewalt einschreiten; Kennedys schlimmer Fehlschlag 1961 in der Schweinebucht war eine sehr frühe Bestätigung dieser Regel.
Noch eindeutiger ist die Weltmachtrolle der drei Weltmächte dadurch begrenzt, daß jede nüchterne, rationale Einschätzung der Machtposition der jeweils anderen beiden und der Respekt vor ihnen Washington, Moskau und Beijing davon abhalten, deren Interessen und Interessensphären in friedensgefährdender Weise zu nahe zu treten. Moskau hat 1953 bei der Unterdrückung der Freiheitsdemonstrationen der DDR, 1956 bei der Niederschlagung der Freiheitskämpfe in Budapest und erneut 1961 beim Bau der Mauer quer durch Berlin sorgfältig die geographischen Grenzen des amerikanischen Machtbereiches beachtet, ebenso 1968 beim Einmarsch in die ČSSR. Chruschtschows Versuch dagegen, 1962 unmittelbar vor der amerikanischen Türschwelle nukleare Mittelstreckenraketen zu installieren, endete wegen Kennedys Bereitschaft, notfalls bis zum Kriege zu gehen, mit einem bösen Fehlschlag.
Der wichtigste Grund für diese gegenseitige Respektierung ihrer Machtsphären liegt darin, daß die drei Weltmächte sich durch ihre weitreichenden Nuklearwaffen unvorstellbare Schäden zufügen können; diese Feststellung gilt seit einigen Jahren zunehmend auch für China, obgleich Beijings nukleare Raketen der technischen Qualität und der Zahl nach einstweilen weit hinter denjenigen Washingtons und Moskaus zurückbleiben. Nach westlicher Einschätzung hatte China 1986 rund drei Millionen Soldaten unter Waffen, dazu kamen fünfeinhalb Millionen Reserven; China verfügte über rund 140 nuklear bestückte Raketen von fast ausschließlich mittleren Reichweiten, weniger als ein Viertel davon war U-Boot-gestützt. Die Sowjetunion verfügte im gleichen Jahr über 5,1 Millionen Soldaten und über 6,3 Millionen Reserven; die Zahl der nuklearen Mittel- und Langstreckenraketen betrug rund dreitausend. Washington standen 2,2 Millionen Soldaten zur Verfügung, dazu 1,7 Millionen Reserven; es besaß rund zweitausend nukleare Mittel- und Langstreckenraketen.
Im Falle der UdSSR und der USA kommen gigantische Luft-und Seestreitkräfte hinzu; diese sind mit zahllosen nuklearen Waffen auch großer Reichweiten ausgerüstet. Den Landstreitkräften stehen überdies Nuklearwaffen zur Verfügung, die verniedlichend als »taktische« oder als »Gefechtsfeld«-Waffen bezeichnet werden.
Insgesamt dürften sowohl die UdSSR als auch die USA jeweils mehr als 20 000 nukleare
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