Menschen und Maechte
der beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen zwar wünschenswert sei, aber durch die Lage in Berlin und die Stimmung bei uns zu Hause sowohl erschwert als auch erleichtert werden könne. »Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«
Breschnew antwortete lapidar. Es gehe nicht um Details, über die könne man sich wohl vernünftig einigen: »Wichtig ist das Prinzip.
Wenn die Verhandlungen der Bundesrepublik Deutschland darauf gerichtet sind, das vierseitige Abkommen zu korrigieren, um dadurch das Ziel zu erreichen, daß West-Berlin in ein Land der Bundesrepublik umgewandelt wird, dann sind Reibungen und Zuspitzungen unvermeidlich. Die Sowjetunion hat ihrerseits nie versucht, die Frage West-Berlin zu verschärfen. Sie will auch aus dem vierseitigen Abkommen keine Veränderung ableiten.« Er schlug erneut vor, die Außenminister mit der weiteren Klärung zu beauftragen; sie sollten jedoch nicht damit anfangen, das vierseitige Abkommen zu revidieren.
Ich erklärte mich damit einverstanden und wies darauf hin, daß das Viermächteabkommen eine Lösung der Fragen zur Behandlung West-Berlins in den drei ausgehandelten bilateralen Abkommen zwar nicht bindend vorschreibe, wohl aber ermögliche. Breschnew meinte, er habe die bisherigen Briefwechsel so verstanden, daß die wirtschaftlichen, die wissenschaftlich-technischen, die kulturellen Fragen und so weiter bilateral gesehen würden und mit dem Berlin-Problem nicht verknüpft seien.
Ich gebe die Meinungsverschiedenheiten über das Viermächteabkommen über West-Berlin nach bester Erinnerung deshalb so ausführlich wieder, weil es mir schon damals so vorkam, als würden sie noch lange ein Vorankommen erschweren. Ich war nicht überrascht, als am gleichen Nachmittag die Außenminister in den Fragen der drei bilateralen Abkommen Berlins wegen zu keinen Ergebnissen kamen. Ich hielt das nicht für ein Unglück; seit Monaten hatte ich nichts anderes erwartet, zumal ich die Beharrlichkeit Gromykos kannte.
Abends im Gästehaus haben Genscher und ich aber dann darüber gesprochen, ob wir angesichts der ernsten Meinungsverschiedenheiten den Besuch in Moskau nicht besser abkürzen sollten, sofern eine Einebnung der Kontroverse nicht möglich wäre. Wir sprachen laut und deutlich, damit unsere Erwägung auf den Tonbändern des KGB festgehalten wurde, deren verstecktes Mitlaufen wir mit Gewißheit unterstellten.
Am nächsten Tag wurde der Gegensatz in einem Gespräch unter vier Augen zwischen Breschnew und mir entschärft. Ich hatte
gesagt: »Herr Generalsekretär, in einer Ihrer Botschaften nach meiner Amtsübernahme gab es im Zusammenhang mit der Errichtung des Bundesumweltamtes in Berlin einen mir wichtigen Satz. Sie schrieben mir, Sie verstünden, daß ein neuer Mann ein umfangreiches Erbe übernehmen müsse. Damit haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich möchte Ihnen dazu versichern, daß mein Vorgänger Willy Brandt, als er den Gesetzentwurf gebilligt und dem Parlament unterbreitet hat, davon überzeugt war – und er ist auch heute noch überzeugt –, in voller rechtlicher Übereinstimmung mit dem Viermächteabkommen gehandelt zu haben; Brandt hat guten Gewissens gehandelt. Ich selbst teile Brandts Rechtsstandpunkt; ich habe mehrfach mit ihm über die Sache gesprochen. Ich will aber hinzufügen: Ich weiß, daß man im Leben gelegentlich einen Unterschied zwischen der Verfechtung von Rechtsstandpunkten und der politischen Zweckmäßigkeit machen muß. Ich versichere Ihnen, soweit mein Einfluß reicht, werde ich verhindern, daß in Zukunft erneut ähnliche Streitigkeiten entstehen.«
Breschnew nahm sich Zeit für seine Antwort und setzte zunächst das Gespräch über andere Punkte fort. Er sprach von seinem Verständnis für die Schwierigkeiten, die uns die Bonner Opposition mit ihren Unterstellungen mache. Viele der Fragen, über die wir heute miteinander sprächen, könnten leichter geregelt werden, wenn die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa erfolgreich abgeschlossen wäre. Das Element des Vertrauens werde dann alles überwiegen. Dann nahm Breschnew meine Einladung zu einem erneuten Besuch in der Bundesrepublik an. Anschließend kam er auf Berlin zurück und sagte: »Vielleicht sind Sie, Herr Bundeskanzler, oder vielleicht ist Herr Brandt voreilig gewesen, möglicherweise haben Sie bei der Errichtung des Bundesumweltamtes zuviel Vorschuß genommen und so eine schwierige Lage geschaffen. Aber darüber soll man jetzt nicht mehr weinen! Ganz allgemein glaube
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