Menschen und Maechte
neben Honecker Politbüromitglied Hermann Axen, ganz rechts Bundes-außenminister Genscher.
Abb 33 Die Helsinki-Konferenz im Sommer 1975 markierte den Höhepunkt der Entspannungsphase zwischen West und Ost. Hier begegnete Helmut Schmidt zum erstenmal Erich Honecker.
Abb 34 Die guten persönlichen Beziehungen Helmut Schmidts sowohl zu Gerald Ford als auch zu Valéry Giscard d’Estaing bestimmten Mitte der siebziger Jahre das Klima innerhalb des westlichen Bündnisses, das sich auf der KSZE-Konferenz geschlossen und einig zeigte wie selten zuvor.
Von links: Harold Wilson, Gerald Ford,Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt.
Nikolai A. Tichonow war nur ein Jahr jünger. Wie sein Chef hatte auch er eine Managerlaufbahn hinter sich, Kossygin in der Textil-, Tichonow in der Stahlindustrie. Hinsichtlich ihrer ökonomischen und administrativen Kompetenzen habe ich zwischen den beiden Männern keine Unterschiede bemerken können. Auch Tichonow besaß gute Kenntnisse der Welt; er ließ sich allerdings ungern auf außenpolitische Gespräche ein. Es schien, als stehe er persönlich Breschnew näher als Kossygin. Ich habe zweimal erlebt, daß Breschnew in meinem Beisein Zeichen der Ungeduld gegenüber Kossygin erkennen ließ; ob dies zufälliger Ausfluß seines Temperaments im allgemeinen war oder ob es auf einer Spannung zwischen beiden beruhte, wurde mir nicht klar. Zwischen Breschnew und Tichonow habe ich solche Anzeichen von Spannungen nie beobachtet.
Übrigens war es immer angenehm, mit Tichonow zu reden; ähnlich empfanden es auch die Wirtschaftsminister Friderichs und Graf Lambsdorff und die Chefs der großen deutschen Unternehmen und Banken. Tichonow war ein gelassener, freundlicher Mann, dem aus volkswirtschaftlichen Gründen an der Erweiterung und Vertiefung des wirtschaftlichen Austausches mit der Bundesrepublik gelegen war. Als er Ende 1979 in das Politbüro aufstieg und ein Jahr später als Nachfolger seines bisherigen Chefs Ministerpräsident wurde, nahm ich das als ein Zeichen dafür, daß Breschnew seinen Kurs nicht mehr ändern wollte. Tichonow war noch ein Jahr älter als der Generalsekretär. Die Gerontokratie, die Herrschaft der Alten, sollte also fortgesetzt werden, solange es irgend ging. Wahrscheinlich war die Furcht vor ungewissen Folgen eines Generationswechsels nur eines unter mehreren Motiven; persönliche Vertrautheit miteinander mag ein weiteres gewesen sein. Auch Tichonow konnte nichts an der Schwerfälligkeit der außenpolitischen Maschinerie seines Landes ändern.
Mitte der siebziger Jahre hatte ich angesichts der enormen und immer weiter wachsenden Devisenreserven der Bundesbank vorübergehend den Gedanken gefaßt, einen kleinen Teil der Devisen, die ja ohnehin im Ausland zinstragend angelegt wurden, der sowjetischen Zentralbank gegen die allgemein übliche Verzinsung zu überlassen; der Gedanke erwies sich als nicht tragfähig. Heute mag einer über solche Ideen seine konservative Nase rümpfen. Ich erwähne diese Episode, weil sie zeigt, wie sehr ich um wirtschaftliche Anreize für die Sowjetführung bemüht war; immerhin war die UdSSR ohne Zweifel ein erstklassiger Schuldner.
Ein anderer Gedanke dagegen fiel im Laufe des Jahres 1978 auf fruchtbaren Boden. Im Mai stand ein erneuter Besuch Breschnews in Bonn bevor. Mir lag daran, dem Gast das Bewußtsein eines Erfolges und der Öffentlichkeit in beiden Staaten eine Perspektive auf langfristige wirtschaftliche Zusammenarbeit geben zu können. Im Herbst 1977 sagte ich dem sowjetischen Botschafter Valentin Falin, ich schlüge aus außenpolitischen Gründen ein Wirtschaftsabkommen über fünfundzwanzig Jahre vor; ein solcher, bis in das nächste Jahrhundert reichender Vertrag könne die Basis für wachsendes politisches Vertrauen werden. Natürlich würde es sich nur um ein Rahmenabkommen handeln, das in regelmäßigen Abständen konkret auszufüllen wäre. Beide Seiten könnten dazu langfristige Finanzierungsinstrumente, Bürgschafts- oder Kreditrahmen bereitstellen; dabei war klar, daß praktisch nur die Sowjetunion deutsche Bankkredite in Anspruch nehmen würde. Breschnew reagierte umgehend positiv. Tatsächlich kam das Abkommen anläßlich seines Besuches in Bonn zustande.
Insgesamt hat sich – trotz mancher Enttäuschungen – der deutsch-sowjetische Wirtschaftsaustausch gut entwickelt, wobei unsere Einfuhren aus der Sowjetunion immer etwas hinter unseren Exporten hinterherhinkten. Für besorgte Amerikaner seien zwei
Weitere Kostenlose Bücher