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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Bemerkungen hinzugefügt. Zum einen haben wir meines Wissens niemals eine staatliche Subvention gegeben, sei es direkt, über Steuern oder bei den Zinssätzen. Zum anderen lag der Anteil der sowjetischen Lieferungen an der deutschen Gesamteinfuhr meist unter 3 Prozent; das ist weniger als die Einfuhr aus unserem
kleinen, siebeneinhalb Millionen Einwohner zählenden Nachbarland Osterreich.
    Von einer außenpolitisch bedeutsamen ökonomischen Abhängigkeit der Bundesrepublik von Moskau zu sprechen, geschieht also entweder aus Unwissenheit oder aus Böswilligkeit. Dies gilt speziell auch für unsere Erdgaseinfuhren aus der Sowjetunion; ich habe sie von vornherein auf maximal 30 Prozent unserer gesamten Erdgasimporte begrenzt, das heißt, auf maximal 6 Prozent unserer gesamten Energieimporte. Die nachfolgende Bundesregierung hat diese Begrenzung nicht angetastet; tatsächlich ist die 30-Prozent-Grenze bisher nie erreicht worden. Andere und wesentlich größere Teile unseres Energieimports aus Ländern des Nahen Ostens sind dagegen leider mit deutlich höheren politischen Risiken belastet.
    Die Frage der drei Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit, über Rechtshilfe und kulturellen Austausch, die schon 1973 zu Zeiten Willy Brandts unterschriftsreif waren, ist während meiner Regierungszeit nicht gelöst worden. Die Lösung scheiterte an mangelnder Flexibilität der beiden Außenministerien bei der Anwendung des Viermächteabkommens über Berlin. Aus innenpolitischen Gründen konnten weder Breschnew noch ich den Versuch einer politischen Einigung wagen; sowohl im Politbüro als auch im Bundestag gab es argwöhnische Verfechter der jeweils reinen Lehre; mit Argusaugen, teils mit tüftelnder Spitzfindigkeit, teils mit dem groben Geschütz polemischer Anklage machten sie jeden Modus-vivendi-Kompromiß unmöglich. 1977 kam ich zu der Überzeugung, es sei das beste, die Dinge einige Jahre auf Eis zu legen; die Praxis werde inzwischen lehren, die juristischen Fußangeln auch ohne Abkommen zu umgehen.

    Obgleich ich einmal einen heftigen Zusammenstoß mit ihm hatte, habe ich dem sowjetischen Außenminister Andrej Gromyko gegenüber doch immer großen Respekt empfunden. Er war ein unermüdlicher, beharrlicher Anwalt der Interessen seines Staates, wie sie die jeweilige Staatsführung definiert hatte. Henry Kissinger soll über ihn gesagt haben, seine Augen seien wachsam und melancholisch
wie die eines Jagdhundes, der die unerklärlichen Launen seines Herrn ertragen muß, dem er am Ende aber doch seinen eigenen Willen aufzwingt. Falls dieses Zitat korrekt ist, so gilt es für manch einen Außenminister in manch einem Staate und zu mancher Zeit. Richtig ist wohl, daß Gromyko viele Kurswechsel und auch Launen der sowjetischen Staatslenker hat mitmachen müssen. Chruschtschow hatte offen über ihn als einen jeden Befehl ausführenden Apparatschik gespottet; Breschnew konnte, dies hatte ich 1974 selbst einmal erlebt, seinen Außenminister sehr unwillig und keineswegs höflich behandeln. Aber richtig ist vermutlich auch, daß Gromyko im letzten Abschnitt seiner Amtszeit als Außenminister immer stärker ein entscheidender Faktor bei der Bestimmung der sowjetischen Außenpolitik geworden ist.
    Gromyko wurde 1909 geboren; schon mit vierunddreißig Jahren war er Botschafter in Washington, mit sechsunddreißig ständiger Vertreter seines Staates im Weltsicherheitsrat der UN; mit fünfundvierzig wurde er Außenminister und blieb dies von Anfang 1957 bis 1985, fast dreißig Jahre, um danach formelles Staatsoberhaupt zu werden. Die letzten zwölf Jahre war er zugleich Mitglied des Politbüros und gehörte damit zum Entscheidungszentrum des Staates. Aber schon vorher trug er in vielen außenpolitischen Fragen selbst im Politbüro vor; der Ministerpräsident war höchstens formell, nicht aber tatsächlich sein Vorgesetzter.
    Gromyko war ein guter Taktiker; er hatte ein eindrucksvolles Gedächtnis für Details und konnte in seiner Argumentation stets darauf zurückgreifen. Seine jeweiligen Gegenspieler mußten ihre Einlassungen deshalb sorgfältig formulieren, um von ihm nicht in die Ecke gedrängt zu werden. Wahrscheinlich hat er viele seiner Amtskollegen innerlich als Leichtgewichte eingestuft. Im persönlichen Umgang blieb Gromyko gleichwohl korrekt. Dabei konnte er durchaus sarkastisch, in der Sache provokant sein, notfalls auch witzig. Aber er war nie beleidigend und hatte sich immer unter Kontrolle.
    Bei allem machte er

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