Menschen und Maechte
Annäherung ist möglich, soweit die Grundsätze nicht verletzt werden.« Sodann vereinbarten wir für die Presse eine Erklärung, in der wir von der beiderseitigen
Entschlossenheit zur weiteren Vertiefung der Verständigung und Zusammenarbeit sprachen.
Ich war im Zweifel, ob meine Härte sinnvoll gewesen war. Es war gut, gezeigt zu haben, daß wir notfalls sehr unnachgiebig sein konnten und uns von der sowjetischen Weltmacht nicht ins Bockshorn jagen lassen würden. Ob wir damit Berlin genutzt hatten, war eine andere Frage; denn Gromyko würde den Auftritt nicht vergessen. Aber weder er noch ich sind bei späteren Begegnungen darauf zurückgekommen. Es war klar: Einer hatte Respekt vor dem anderen.
Als im November 1982 Breschnew starb – ich war seit sechs Wochen aus dem Amt –, ließ Gromyko mir sagen, man würde mich gern als Trauergast in Moskau begrüßen. Da Bundeskanzler Kohl sich vertreten ließ, wollte ich dieser Aufforderung des sowjetischen Außenministers, die ich als durchaus angemessen empfand, nicht folgen. Ich habe das aufrichtig bedauert, nicht nur Breschnews wegen, dem ich zugetan gewesen war, sondern auch Gromykos wegen, dem ich mich – wie ich nun zu meiner Überraschung merkte – ebenfalls verbunden fühlte.
Im Laufe der ersten drei Jahre nach der Helsinki-Konferenz wurde deutlich, daß einige Männer in der Sowjetunion sich von dem Moskauer Gewaltverzichtvertrag mit der Bundesrepublik mehr versprochen hatten, als wir bieten konnten und wollten. Offenbar war Podgorny mißtrauisch, vermutlich auch Suslow; ob Gromyko Mißtrauen geschürt hat – wie mir angedeutet worden ist –, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls aber legte Breschnew steigenden Wert auf direkte wechselseitige Unterrichtung, also an seinem Botschafter und seinem Außenminister vorbei. Dies war ein Umstand, an den ich aus dem Verkehr mit anderen kommunistischen Staaten gewöhnt war – in den USA wurde dergleichen als »back-channel« bezeichnet, das heißt als Verbindung durch die Hintertür. Technik und Methoden haben mehrfach gewechselt; ein kleines Problem für mich dabei war jedesmal die Unterrichtung meines eigenen Außenministers, ohne jemanden bloßzustellen.
Das wichtigste Motiv Breschnews bei der kontinuierlichen Aufrechterhaltung
des direkten Drahtes lag erkennbar in dem Wunsche, seinen Kollegen im Politbüro gegenüber einen Informationsvorsprung zu haben, mit dessen Hilfe er zum Beispiel ausländische Reaktionen oder Entwicklungen vorhersagen konnte, die für seine Kollegen noch nicht voll zu durchschauen waren. Abgesehen von Prag und Bukarest hat es zu meiner Zeit zu allen kommunistischen Staatschefs solche Kanäle gegeben – wie ich selbstverständlich auch mit den Präsidenten in Washington und Paris oder mit dem Premierminister in Downing Street No. 10 häufig telefonierte. Am unkompliziertesten war der direkte Draht zu Honecker, weil wir die gleiche Muttersprache hatten. Im Meinungsaustausch mit Breschnew mußte beiderseits übersetzt werden; das Telefon schied aus praktischen Gründen aus. Deshalb verkehrten wir über mündliche Botschaften miteinander, die wir dem anderen vorlesen ließen.
Seiner Stellung im Politbüro wegen war es für Breschnew auch wichtig, im Einzelfall Motive oder Ziele der Bundesregierung zu verstehen; deshalb war er sowohl für persönliche Interpretationen dankbar als auch besonders für Vorabhinweise, die ihn vor Überraschungen bewahrten. Natürlich galt dies auch in umgekehrter Richtung, wobei ich besonders an Hinweisen auf bevorstehende oder vorliegende Abstimmungen zwischen Moskau und Ost-Berlin interessiert war.
Als Breschnew im Laufe des Sommers 1977 mir gegenüber darüber klagte, die Absichten Jimmy Carters nicht interpretieren zu können, machte ich beiden Staatsmännern den Vorschlag, einen direkten Draht zwischen ihnen herzustellen. Der alte »back-channel« des Weißen Hauses war zu Gerald Fords Zeit wohl über den dortigen sowjetischen Botschafter gelaufen, was darauf hinauslief, daß Gromyko die Informationen vor Breschnew las. Ob ein neuer Kanal zu Carter tatsächlich zustande gekommen ist, weiß ich nicht mehr.
Natürlich ersetzen solche Kanäle keineswegs den offiziellen diplomatischen Verkehr, schon gar nicht die Verhandlungen der Außenminister; sie bieten auch keine zuverlässige Gewähr gegen Irrtümer, Fehleinschätzungen oder Überraschungen. Sie können aber doch viel Vertrauen von Person zu Person schaffen – was um
so wertvoller ist, je
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