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Menschen und Maschinen

Menschen und Maschinen

Titel: Menschen und Maschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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spielen konnte. Es gelang dem Mann nicht, das alles in seinem Innern zum Einklang zu bringen, und der Kampf tat weh. Unsicher stand er auf und ging zur Tür.
    »Wohin gehen Sie?«
    »Weg von hier«, sagte er. »Sie sind ein Teufel.«
    Er verließ wankend mein Zimmer, und ich ließ ihn gehen. Der alte Mann war jetzt aufgewühlt, aber ich hatte ein paar Computer-Trümpfe im Ärmel, mit denen ich seine Probleme lösen und ihn der Musikwelt wiedergeben konnte. Denn egal, was man über mich redet, besonders nach dieser Macauley-Sache, niemand kann leugnen, daß meine ganze Treue der Musik gehört.
     
    *
     
    Ich stellte die Arbeit an Beethovens Siebter ein und schob auch Macauleys Diagramm zur Seite. Statt dessen rief ich zwei Techniker herein und erklärte ihnen mein Vorhaben. Zuallererst mußte ich herausfinden, wer Kolfmanns Klavierlehrer gewesen war. Sie kümmerten sich sofort um Nachschlagewerke, und wir entdeckten den Namen – Gotthard Kellermann, gestorben vor nahezu sechzig Jahren. Das Glück half uns. Die Zentrale konnte ein altes Band vom Stockholmer Internationalen Musik-Kongreß aus dem Jahre 2187 besorgen; Kellermann hatte auf diesem Kongreß kurz über die Entwicklung der Pedaltechnik gesprochen. Es war nichts Aufregendes, aber seine Aussage interessierte uns auch nicht. Wir gliederten seine Rede in phonetische Einheiten, analysierten, gruppierten und werteten sie aus und speisten sie schließlich in den Computer ein.
    Was wir erhielten, war eine neue Rede mit Kellermanns Stimme, oder zumindest eine gute Kopie davon. Bestimmt war sie gut genug, um Kolfmann zu täuschen, der die Stimme seines früheren Lehrers seit mehr als fünfzig Jahren nicht mehr gehört hatte. Als wir alles fertig hatten, ließ ich Kolfmann holen, und ein paar Stunden später brachten sie ihn. Er sah noch älter und verbrauchter aus.
    »Weshalb quälen Sie mich?« fragte er. »Weshalb lassen Sie mich nicht in Frieden sterben?«
    Ich beachtete seine Fragen nicht. »Hören Sie sich das an, Mister Kolfmann.« Ich schaltete das Band ein, und die Stimme Kellermanns drang aus dem Lautsprecher.
    »Hallo, Gregor«, sagte sie. Kolfmann war sichtlich verblüfft. Ich nützte die künstliche Pause in der Aufnahme und fragte ihn, ob er die Stimme erkannte. Er nickte. Ich konnte sehen, daß er ängstlich und mißtrauisch war, und ich hoffte nur, daß die ganze Sache kein Fehlschlag sein würde.
    »Gregor, eine der Lehren, die ich dir mit auf den Weg geben wollte – und du warst schon immer mein aufmerksamster Schüler – lautete folgendermaßen: Bleibe flexibel. Die Techniken müssen sich ständig wandeln, auch wenn die Kunst unwandelbar bleibt. Aber hast du auf meine Worte gehört? Nein.«
    Kolfmann dämmerte es allmählich, was wir gemacht hatten, das konnte ich genau erkennen. Er war jetzt geisterhaft blaß.
    »Gregor, der Flügel ist ein veraltetes Instrument. Aber es gibt ein besseres, neues Instrument, und du verleugnest seine Größe. Dieser wunderbare Computer kann alles tun, was auch der Flügel tat, und noch mehr als das. Er ist ein gewaltiger Schritt nach vorn.«
    »Schön«, sagte Kolfmann. Seine Augen glänzten seltsam. »Schalten Sie die Maschine ab.«
    Ich streckte die Hand aus und hielt das Band an.
    »Sie sind sehr klug«, sagte er zu mir. »Ich nehme an, daß Sie den Computer benutzten, um diese kleine Rede an mich vorzubereiten.«
    Ich nickte.
    Er schwieg eine Ewigkeit. Ein Wangenmuskel zuckte. Ich beobachtete Kolfmann und wagte nicht zu sprechen.
    Schließlich meinte er: »Gut, Sie hatten auf Ihre einfältige, theatralische Weise Erfolg. Sie haben mich erschüttert.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Wieder schwieg er und schien nach innen zu horchen. Ich spürte, daß ein schwerer Kampf in ihm tobte. Er starrte ins Nichts und bemerkte mich überhaupt nicht. Ich hörte, daß er in einer anderen Sprache etwas vor sich hinmurmelte; ich sah, wie er sich unterbrach und den alten Kopf schüttelte. Und am Ende blickte er auf mich herunter und sagte: »Vielleicht ist es einen Versuch wert. Vielleicht stimmen die Worte, die Sie Kellermann in den Mund gelegt haben. Vielleicht. Sie sind dumm, aber ich war noch dümmer als Sie. Ich widersetzte mich hartnäckig, obwohl ich mit Ihnen hätte zusammenarbeiten sollen. Anstatt gegen Sie anzukämpfen, hätte ich als erster lernen sollen, Musik mit diesem seltsamen neuen Instrument zu machen. Idiot! Schwachkopf!«
    Ich glaube, er meinte mit den letzten beiden Worten sich selbst, aber sicher war ich

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