Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschen und Maschinen

Menschen und Maschinen

Titel: Menschen und Maschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
ganz klein. Als er weitersprach, erkannte ich, daß ich – als Musikschöpfer – eine Verantwortung für den alten Kolfmann trug. Ich bin immer noch der Überzeugung, daß ich das Richtige tat, ganz gleich, was andere sagen.
    »Selbst nachdem die Computermusik zur vorherrschenden Darbietungsweise geworden war«, sagte er, »hielt meine Karriere noch jahrelang an. Es gab immer noch ein paar Leute, die lieber einen Mann am Flügel als einen Techniker an einem Computer sahen. Aber ich konnte der Konkurrenz nicht auf die Dauer standhalten.« Er seufzte. »Nach einer Weile wurden alle, die zu Vorführungen von lebenden Künstlern kamen, Reaktionäre genannt, und ich bekam keine Engagements mehr. Ich gab Unterricht, um mir den Lebensunterhalt zu verdienen. Aber niemand wollte mehr Klavierspielen lernen. Einige studierten mich aus wissenschaftlichen Gründen, aber sie waren keine Künstler, sondern nur Kuriositäten-Sammler. Ihnen fehlt die künstlerische Triebkraft. Sie und Ihre Maschine haben die Kunst getötet.«
    Ich sah erst Macauleys Diagramm und dann Kolfmann an und hatte das Gefühl, als würde sich mit einem Mal alles über mir entladen. Ich legte meine Beethoven-Skizze zur Seite, teils weil ich bei all der Aufregung heute ohnehin zu nichts kommen würde, und teils, weil es die Sache nur verschlimmern konnte, wenn Kolfmann sie sah. Macauley stand immer noch da und wartete darauf, mir seinen Stromkreis erklären zu dürfen. Ich wußte, daß es wichtig war, aber ich hatte dem alten Kolfmann gegenüber ein Schuldgefühl, und so beschloß ich, mich zuerst um ihn zu kümmern, bevor Macauley an die Reihe kam.
    »Kommen Sie später wieder«, sagte ich zu Macauley. »Ich möchte mich gern mit Ihnen über die Bedeutung des Diagramms unterhalten, sobald ich mit Mister Kolfmann gesprochen habe.«
    »Jawohl, Sir«, sagte Macauley. Jeder dieser Techniker verwandelt sich in eine gehorsame Marionette, wenn er seinem Vorgesetzten gegenüberstellt. Ich schob die Papiere zusammen, die er mir gebracht hatte, und legte sie säuberlich an den Rand meines Schreibtisches. Ich wollte, daß Kolfmann auch sie nicht sah, obwohl mir klar war, daß sie für ihn nichts anderes bedeuteten als Symbole der verhaßten Maschine.
    Als Macauley gegangen war, bot ich Kolfmann einen plüschüberzogenen Pneumosessel an. Er setzte sich, und ich sah in jeder seiner Bewegungen die für seine Generation so typische Verachtung übermäßigen Komforts. Meine Aufgabe war klar – ich mußte das Los des alten Mannes ein wenig erleichtern.
    »Wir würden uns freuen, wenn Sie für uns arbeiten könnten, Mister Kolfmann«, begann ich lächelnd. »Ein Mann mit Ihren Fähigkeiten …«
    Im nächsten Moment war er mit blitzenden Augen aufgesprungen. »Für Sie arbeiten? Eher sorge ich dafür, daß Sie und Ihre Maschinen zugrunde gehen! Ihr, ihr Wissenschaftler – ihr habt die Kunst zerstört! Und jetzt versucht ihr auch noch, mich zu bestechen.«
    »Ich wollte Ihnen doch nur helfen«, sagte ich. »Da wir in gewissem Sinne Schuld an Ihrer mißlichen Lage tragen, dachte ich, daß ich das ein wenig ausgleichen könnte.«
    Er sagte nichts, sondern durchbohrte mich nur mit seinen Blicken. Der Haß eines halben Jahrhunderts brannte in ihm.
    »Passen Sie auf«, sagte ich. »Ich werde Ihnen zeigen, was für ein großartiges Musikinstrument unser Computer ist.« Ich suchte in meinem Schrank und holte das Band des Hohenstein-Viola-Konzerts heraus, das wir 60aufgeführt hatten – ein gewaltiges Zwölfton-Werk, vielleicht das schwierigste und am schlechtesten wiederzugebende Stück, das je geschrieben wurde. Für den Computer bedeutete es natürlich nicht mehr als beispielsweise ein Strauß-Walzer, aber ein Geigenvirtuose hätte drei Hände und einen beweglichen Rüssel gebraucht, um Hohensteins musikalische Idee einigermaßen zum Ausdruck zu bringen. Ich setzte die Abspulvorrichtung der Maschine in Bewegung und führte das Band ein.
    Die Musik stürmte auf uns ein. Kolfmann beobachtete den Computer mißtrauisch. Die Pseudo-Viola durchspielte alle Bereiche der Tonleiter, während der alte Pianist das Werk einzuordnen versuchte.
    »Hohenstein?« fragte er schließlich zaghaft. Ich nickte.
    Ich sah den Konflikt, der in seinem Innern tobte. Länger, als er zurückdenken konnte, hatte er uns gehaßt, weil wir seine Kunst abgewertet hatten. Aber hier zeigte ich ihm, daß der Computer eine echte Existenzberechtigung hatte – er verarbeitete ein Werk, das ein Mensch unmöglich

Weitere Kostenlose Bücher