Menschenhafen
natürlich beteiligt, denn immerhin waren sie die Helden des Tages.
Am nächsten Tag war das schon wieder vergessen, und ihre unverständlichen Kommentare und ihre seltsame Art – eine Mischung aus Unterwürfigkeit und Hochmut, die einen in den Wahnsinn treiben konnte – wurden zum Gegenstand des üblichen Spotts. Aber sie hatten die Flaschen geklaut, das ließ sich nicht leugnen.
Als der Tag für das letzte Fest des Sommers kam, waren sie folglich von Anfang an dabei. Sonst war es meistens so, dass man ein Fest feierte und Henrik und Björn uneingeladen auftauchten, woraufhin sie etwas abseits saßen und Kommentare fallen ließen, über die nur sie lachten, während die meisten anderen über die spöttischen Bemerkungen lachten, die auf Henrik und Björn gemünzt waren.
Aber auf diese Art erfüllten sie ihre besondere Funktion. Sie konsolidierten die Gruppe und die Sprache der Gruppe, weil sie außerhalb von ihr saßen und eine andere Sprache benutzten. Niemand hätte es zugegeben oder auch nur eingesehen, aber damit eine Fete gelungen war, mussten Henrik und Björn wie zwei Ufos dabeisitzen, denn nur so stellte sich die richtige Stimmung ein.
Der Abend war gekommen. Würstchen und Grillkohle, Chips und Getränke wurden nach Kattholmen geschafft, und alle waren da. Joel und Martin, Elin und Malin, Anders und Cecilia. Fridas Mutter hatte ihr eigentlich verboten, dabei zu sein, aber sie kam trotzdem. Samuel, der in Nåten wohnte und in der gleichen Fußballmannschaft spielte wie Joel, kam im eigenen Boot. Sogar Karolina, die immer nur zwei Wochen auf Domarö blieb, war gekommen. Und natürlich Henrik und Björn. Die Lieferanten des Abends.
Der Bacardi wurde geholt und in Plastikbechern mit Cola gemixt, vor der Fischerhütte wurde ein Lagerfeuer entfacht. Henrik und Björn hatten fleischfreie Spezialwürste mitgebracht, die hellgrau waren und wie Penisse aussahen, was sie sich trotz des Bacardis anhören mussten.
Anders bekam ausnahmsweise die Erlaubnis, Depeche im Kassettenrekorder laufen zu lassen. »A question of lust« hatte den Weg geebnet. Aber als zwei Flaschen geleert waren, konnte man sich unmöglich weiter etwas derart Düsteres anhören, und auf Wunsch der Mädchen wurde stattdessen Wham! aufgelegt.
Das Feuer verglomm, und die Fete ging in der Fischerhütte weiter. Anfangs hatte es in ihr nur einen Tisch, zwei Stühle und ein Etagenbett für übernachtende Fischer gegeben. Die Einrichtung war durch einige alte Holzstühle und einen Flickenteppich auf dem Fußboden komplettiert worden. Wenn sich alle in dem Raum aufhielten, war es eng, aber Anders und Cecilia leisteten ihren Beitrag zur Verbesserung der Lage, indem sie auf die miefige Rosshaarmatratze auf dem oberen Bett hinaufstiegen, wo sie ein wenig fummelten.
Im Sommer des Vorjahrs hatten sie einiges ertragen müssen, nachdem Malin sie beim Küssen erwischt hatte, aber das war inzwischen ausgestanden. Sie waren ein Paar, und dagegen ließ sich nicht viel sagen, auch wenn es seltsam war, so lange zusammen zu sein. Im Winter hatten sie zum ersten Mal miteinander geschlafen, im Frühjahr war es so weitergegangen, weshalb nun, als sie auf der Rosshaarmatratze lagen, nichts von der Verzweiflung der ersten Zeit spürbar war. Mittlerweile konnten sie es ruhig angehen lassen und auf den Fingerspitzen und Lippen des anderen verweilen.
Unter ihnen war die Stimmung dafür umso aufgekratzter. Ein Kartenspiel war aufgetaucht, und es sollte Strippoker gespielt werden. Karolina zog sich augenblicklich zurück, wogegen nur pflichtschuldig protestiert wurde. Sie war rundlich und nicht besonders hübsch. Leider verfügte sie über kein eigenes Transportmittel nach Hause, sodass sie sich auf dem unteren Bett zusammenkauern und, so gut es ging, ungerührt geben musste.
Der ganze Spaß hing folglich an Elin und Malin, den hübschen Mädchen der Clique. Frida konnte süß sein, hatte jedoch keinen Körper, über den man sprach oder fantasierte. Andererseits hatte sie keine Chance, sich aus der Affäre zu ziehen, wenn die anderen Mädchen mitmachten.
Als Elin und Malin ihr Okay gaben und »Klar, verdammt« sagten, sah Anders, dass Fridas Augen unruhig hin und her fuhren und sie ein wenig in sich zusammensank. Aber sie biss die Zähne zusammen und richtete sich auf. Vielleicht hoffte sie, spielen zu können, ohne zu verlieren. Sie würde jedenfalls mehr verlieren, wenn sie kniff.
Anders trank einen Schluck aus der Flasche, die mit einer Mischung aus Rum und Cola
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