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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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an die Decke glotzen, die immer deutlicher an den Deckel eines Sargs erinnerte. Der Hitze nach zu urteilen war er soeben in den Verbrennungsofen geschoben worden.
    »Was denn!«, hörte er Elin am Tisch rufen. »Ich hab doch auch zwei Dreien.«
    »Ja, aber guck hier …«, erwiderte Martin, dem es schwerzufallen schien, die richtigen Worte zu finden. »Guck hier, ne … siehst du, hier bei Frida, dass sie … ihre höchste Karte ist einfach höher als deine. Dann hat sie die höheren Karten. Das Blatt ist dann höher.«
    Man hörte zustimmendes Murmeln, und Elin protestierte zunächst lahm, aber dann herrschte andächtige Stille. Man hörte das schwache Klicken von Metall, und ein Kleidungsstück landete auf dem Haufen. Ein Stuhl wurde zurückgeschoben, und Joel sagte: »Wo willst du denn hin, du musst doch jetzt hier sitzen bleiben und irgendwie …«
    »Leck mich«, entgegnete Elin. »Was du kannst, kann ich auch.«
    Man hörte die Schritte nackter Füße auf dem Holzfußboden, mehrere Jungen pfiffen, und Anders starrte weiter an die Decke. Dann übernahmen seine Augen erneut das Kommando, und er schielte gerade noch rechtzeitig zur Tür, um Elin ins Freie verschwinden zu sehen.
    Jemand stellte die Musik lauter, und »Take on me« mit A-ha rollte in den Raum hinein, verjagte die Dunkelheit eine Spur und machte die Luft leichter. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass die Tür geöffnet und wieder geschlossen worden und etwas Sauerstoff hereingekommen war.
    Alle am Tisch sangen den Refrain mit. Cecilia wachte auf und wandte sich verschlafen Anders zu. Er strich ihr über die Wange, und Haut klebte an Haut. Cecilia blinzelte und rieb sich die Augen. »Wie heiß es hier ist.«
    Anders legte seine Arme um sie. »Sollen wir rausgehen?«
    Cecilia presste sich an ihn und sagte: »Gleich.« Über ihre Schulter hinweg sah Anders, dass Henrik vom Tisch aufstand und zur Tür ging. Dann fanden Cecilias Lippen seine, und er versank in klebrig weicher Wärme.
    Sie küssten sich, bis »Take on me« in einem Flirren aus süßlichem Gesang und elektronischen Drums verklang. Es war einen Augenblick still, dann hörte man einen Schrei. Er kam von draußen, und es war Elin, die schrie. Wie ein Adrenalinschock in einem Herzen, das nicht mehr schlägt, ging ein Ruck durch den Raum. Haut, die an Haut geklebt hatte, wurde losgerissen, und Stühle scharrten, als sie zurückgeschoben wurden oder zu den ersten Tönen von »I should be so lucky« umkippten.
    Joel und Martin waren als Erste durch die Tür, und die anderen aus der Runde um den Tisch folgten ihnen, Björn war der Letzte. Cecilia kletterte aus dem Etagenbett, und Anders folgte ihr, wäre jedoch fast auf Karolinas Rücken gelandet, die stöhnend wie eine alte Frau aufstand.
    Kylie Minogue sang: »In my imagination there is no complication«, wurde aber von Elin übertönt, die vor dem Schuppen hysterisch kreischte.
    »Du ekelhafter, verdammter … Scheiße, du ekelhafter …«
    Anders kam rechtzeitig ins Freie, um Joel die Hand auf Elins Schulter legen zu sehen. Sie hatte sich ein Fischernetz umgebunden und schlug mit den Händen auf Henrik ein, der sein Gesicht zu schützen versuchte. Das Licht des Vollmonds auf dem Wasser ließ ihre Körper weiß leuchten.
    »Was ist denn, was ist denn?«, fragte Joel.
    Elin schlug nach Henrik, der zur Uferlinie zurückwich, während sie schrie: »Das eklige Schwein hat versucht, mich zu vergewaltigen, er ist mit seinem ekligen, verdammten Schwanz angekommen und hat versucht … versucht, mich zu vergewaltigen!«
    Henrik hielt die Hände abwehrend hoch, als wollte er zeigen, dass er keine Waffe hatte, und sagte: »Das habe ich nicht getan, ich wollte doch nur …«, aber auch wenn ihm kein Verbrechen nachgewiesen werden konnte, befand sich die Tatwaffe doch vor Ort. Sie stand schräg aufwärtsgerichtet von Henriks Körper ab und weigerte sich zu erschlaffen, obwohl in Henriks Augen Angst loderte.
    Joel machte zwei Schritte auf Henrik zu und versetzte ihm einen Faustschlag in den Bauch. Mit einem Stöhnen entwich alle Luft aus Henrik, und er krümmte sich. Joel packte ihn im Nacken, schleppte ihn zur Glut, die vom Feuer übrig geblieben war, und schrie dabei: »So was tut man nicht, kapierst du das nicht, ich werd schon dafür sorgen, dass du es kapierst, dass du besser …«
    Henriks und Björns Freundschaft hätte wohl kaum auf eine größere Probe gestellt werden können, aber Björn bestand sie. Als Joel den hustenden und

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