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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Ladefläche seines Mopeds und schaute sich um.
    Wenn es doch nur eine Stelle gäbe, an der man ansetzen könnte.
    Eine Farbschattierung, einen Schatten, irgendetwas, das einem als Zipfel dienen konnte, an dem sich reißen ließ. Er schob eine Hand in seine Jackentasche und schloss sie um die Streichholzschachtel, die darin lag. Anschließend legte er die Fingerspitzen der anderen Hand aufs Eis und bat es zu schmelzen.
    Zunächst schmolz der Schnee, danach zeigte sich eine immer tiefere Versenkung, die sich mit Wasser füllte. Etwa zwanzig Sekunden später gab es ein schwarzes, faustgroßes Loch im Eis. Er ließ die Schachtel los und tauchte mit etwas Mühe den Arm in das eisige Wasser. Er versank bis über den Ellbogen, ehe sich seine Finger um die untere Eiskante legen konnten.
    Das Eis war dick. Es war völlig ausgeschlossen, dass Maja irgendwo eingebrochen war.
    Was war dann passiert?
    Es gab keinen Zipfel. Keine Stelle, an der die Gedanken zupfen, den Riss vergrößern, Klarheit gewinnen konnten. Es war schlichtweg unmöglich. Er ging hinauf, setzte sich zu Anders und Cecilia, umarmte sie und sprach von Zeit zu Zeit ein paar Worte, bis schließlich völlige Dunkelheit herrschte und die Spiralen der Mopeds sich wieder dem Leuchtturm näherten.
    Maja war verschwunden.
    Über Domarö und die Zeit
    Im Verlauf dieser Erzählung wird es gelegentlich notwendig sein, einen Sprung in die Vergangenheit zu machen, um etwas in der Gegenwart zu erklären. Das ist bedauerlich, aber unvermeidlich.
    Domarö ist keine große Insel. Alles, was geschehen ist, lebt fort und beeinflusst die Gegenwart. Orte und Dinge sind mit Bedeutungen aufgeladen, die nicht so schnell vergessen werden. Wir können nicht entfliehen.
    Aus einer weiteren Perspektive betrachtet ist dies eine sehr kleine Geschichte. Sie findet zu großen Teilen Platz in einer Streichholzschachtel.
    Was der Kater anschleppte (Mai 1996)
    Die letzte Maiwoche war angebrochen, und die Barsche tauchten in größeren Mengen auf. Simon hatte eine simple Methode zu fischen. Nach jahrelangen Experimenten, bei denen er seine Netze an immer neuen Stellen auswarf, hatte er beschlossen, dass diese Herumfahrerei unnötig war. Ebenso gut konnte man das eine Ende des Netzes mit einem Tauende am Bootssteg festmachen und das andere Ende des Netzes mit dem Boot hinausziehen. So war es einfach auszuwerfen und noch einfacher zu leeren. Er holte das Netz vom Steg aus ein und konnte den Ausschuss an Ort und Stelle losmachen und ins Meer zurückwerfen. Die sieben Barsche dieses Morgens lagen ausgenommen und fix und fertig im Kühlschrank, freigelassene Plötzen hatten ihres Wegs schwimmen dürfen. Simon stand am Trockengestell und zupfte Seegras und Tang aus dem Netz, während die Möwen ihre Fischrestemahlzeit beendeten. Es war ein klarer und warmer Morgen, die Sonne brannte im Nacken, und er schwitzte in seinem Blaumann.
    Sein Kater Dante war ihm den ganzen Morgen gefolgt, schien nie zu lernen, dass Ostseeheringe im Netz eine große Seltenheit waren. Die wenigen Male, bei denen er einen einzelnen Hering abbekommen hatte, reichten jedoch aus, um die Flamme der Hoffnung weiter in seinem Kopf brennen zu lassen, sodass er Simon stets zum Bootssteg begleitete.
    Als Dante erkannte, dass sich auch an diesem Morgen kein Hering im Netz verfangen hatte, setzte er sich auf den Steg, um die Möwen anzuglotzen, die sich um die Fischabfälle stritten. Nie im Leben wäre er auf die Idee gekommen, eine Möwe anzugreifen, aber wie alle anderen Lebewesen auch hatte er sicher seine Fantasievorstellungen.
    Simon hakte das Netz ab und rollte es zusammen, damit es in der Sonne nicht brüchig wurde. Als er zum Schuppen ging, um es darin aufzuhängen, sah er, dass der Kater mit irgendetwas auf dem Steg beschäftigt war.
    Besser gesagt, mit etwas kämpfte. Dante sprang vor und zurück, dann hoch in die Luft, und schlug mit den Pfoten nach etwas, das Simon nicht sehen konnte. Es sah aus, als würde der Kater tanzen, aber Simon hatte ihn auf die Art mit Mäusen spielen sehen. Das hier war jedoch etwas völlig anderes. Das Spiel mit Mäusen und Fröschen war eben ein Spiel, bei dem der Kater so tat, als wäre seine Beute schwerer erreichbar, als sie es tatsächlich war. Jetzt schien der Kater jedoch wirklich … Angst zu haben?
    Das Fell auf seinem Rücken sträubte sich, und die Sätze des Katers und seine vorsichtigen Attacken ließen sich nur so deuten, dass er es mit etwas zu tun hatte, das Respekt verdiente. Was

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