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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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tun?«
    Björn schüttelte den Kopf. »Du kapierst aber auch gar nichts, was? Beherrschen wir den Körper? Oder beherrscht der Körper uns? Ich weiß es nicht.«
    Henrik winkte mit dem Messer in Elins Richtung und sagte: »Komm, Alte.«
    Elin stellte sich zwischen die beiden. Sie ging auf die gleiche schlafwandlerische Art wie am Abend zuvor, und ihre Augen waren abwesend. Die Kälte hatte ihre Haut weißlich bleich werden lassen, und es war kaum zu erkennen, wo die Haut endete und der Stoff begann.
    Henrik sagte: »Stopp mich, wenn du den schon einmal gehört hast«, und fuhr mit der Hand über Elins Brust und Bauch. »Ich erinnere mich an die Zeit, als sie mich noch klein hielten und meinten, ich hätte es noch nicht verdient.« Anders schaute sich nach der Tüte mit Elins Kleidern um, während Henrik weitersprach: »Und der Schmerz … der Schmerz war groß genug, um einen schüchternen buddhistischen Mönch an Massenmord denken zu lassen.«
    Die Plastiktüte lag zwei Meter von der Stelle entfernt, an der Anders nach seinem Sturz gelandet war, neben dem Zaun. Ganz gleich, ob Henrik und Björn nun Gespenster oder Irre oder beides zugleich waren, so konnte es jedenfalls nicht weitergehen. Elin würde sich den Tod holen.
    Anders zog ihren Pullover aus der Tüte und ging zu der Gruppe. Obwohl Henriks und Björns Anwesenheit unmöglich war und Henrik ein Messer in der Hand hielt, hatte Anders keine Angst. So wie ein Klassentreffen die Tendenz hat, alle in ihre alten Rollen zurückfallen zu lassen, sah er in Henrik und Björn die gleichen, leicht lächerlichen Jungen wie früher, die er einfach nicht respektieren konnte. Er hielt Elin den Pullover hin.
    »Hier. Zieh ihn an.«
    Elin rührte sich nicht, ihr Blick war nach innen gerichtet. Als Anders den Pullover in den Händen zusammenreffte, um ihn ihr überzuziehen, trat Henrik einen Schritt vor und stellte sich ihm in den Weg. Er sah Anders in die Augen und sagte: »Nichts hat sich verändert. Ich liebe dich noch. Nur ein bisschen weniger als früher.«
    Als er das letzte Wort ausgesprochen hatte, wischte seine Hand in einem Bogen über Anders’ Beine. Anders hatte das Gefühl, ihn hätte ein Peitschenhieb getroffen, und als er an sich herabblickte, sah er, dass seine Jeans auf beiden Oberschenkeln aufgeschlitzt war, zwei handbreite Schnitte waren im Stoff. Für einen kurzen Moment sah er zudem rosa Fleisch in den Scharten. Dann kam das Blut. Es füllte die Schnitte, und auf dem Jeansstoff breiteten sich dunkle Flecken aus.
    Noch ehe Anders denken konnte: Er hat mich mit seinem Messer verletzt , wurde sein Kinn von der Metallkugel am unte ren Ende des Messergriffs getroffen. Ihm wurde schwarz vor Augen, und er taumelte ein paar Schritte zurück, ehe er hinfiel und mit der Schulter gegen die Ladefläche des Mopeds schlug. In seinem Körper lief das Adrenalin Amok, und er begann zu zittern.
    Henrik zielte mit dem Messer auf ihn und sagte leiernd: »Das Meer will dich haben. Das Messer will dich schneiden.«
    Björn lachte auf, als hätte er einen ungewöhnlich guten Witz gehört. Ohne Anders aus den Augen zu lassen, streckte Henrik die flache Hand aus. Björn schlug ein und sagte: »Der war klasse.«
    Anders hatte die Knie angezogen, sodass warmes Blut seine Schenkel herablief, über die Leisten kitzelte und sich unter seinem Hintern sammelte. Sein Kopf hallte von einem Klang wider, der dem wabernden Echo einer Kirchenglocke ähnelte, und er war zu schwach, um sich aufzurichten. Er lag gegen das Vorderrad des Mopeds gelehnt und zitterte, während Henrik fortfuhr, Anders ins Bild zu setzen.
    »Die gute Elin hier«, sagte Henrik und legte den Arm um ihre Schultern, »war doch mal ein hübsches Mädchen, nicht wahr? Hielt große Stücke auf sich. Wenn ihr jemand zu nahe kam, fing sie an zu schreien. Das hat sich gründlich geändert.«
    Unfähig, mehr zu tun, als den Arm in dem kraftlosen Versuch zu heben, dem Ganzen ein Ende zu setzen, saß Anders an das Moped gelehnt und sah zu, wie Henrik die Schneide des Messers packte und den Metallknopf unter den Saum von Elins Slip führte. Er warf einen Blick auf Anders, nickte und presste anschließend den ganzen Messergriff in Elins Schoß.
    Sie gab keinen Mucks von sich. Die Klinge ragte aus ihrem Unterleib wie ein Penis aus Metall. Als Anders zu ihrem Gesicht aufblickte, sah er, dass sie lächelte. Ein breites, hässliches Lächeln. Anders drehte sich der Magen um, und der säuerliche Mageninhalt spritzte zwischen seinen

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