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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Simon setzte sich auf die andere Seite des Tischs und streckte seine leere Hand mit dem Handteller nach oben aus. Anna-Greta nahm sie.
    »Ja«, sagte er. »Ist doch klar.«
    Anna-Greta lehnte sich vor. »… dass?«
    »Dass ich dich heiraten will. Ist doch klar, dass ich das will.«
    Anna-Greta lächelte, schloss die Augen und nickte still. Simon schluckte einen Kloß im Hals hinunter und drückte ihre Hand.
    Jetzt ist es eben so , dachte er. Jetzt wird es so sein.
    Mit seiner freien Hand suchte er in der Hosentasche, fand die Streichholzschachtel und legte sie zwischen ihnen auf den Tisch.
    »Du?«, sagte er. »Es gibt da etwas, das ich dir erzählen muss.«
    Dreckstouris haut ab
    Anders und Elin verbrachten den Abend mit viel Wein und wenig Worten. Elin machte ein Feuer im offenen Kamin des Wohnzimmers und blieb dort, Anders saß in der Küche, glotzte die Stiftplatte an und versuchte ein Muster zu finden. Ihm fiel nichts ein. Die Stille, die er akzeptabel gefunden hatte, als er allein im Haus war, wurde zusammen mit Elin erstickend.
    Aus einem der Küchenschränke suchte er den alten Kassettenrekorder seines Vaters und eine Plastiktüte mit Kassetten heraus. Sie waren abgegriffen, schmutzig und viele Male gelaufen. Auf den meisten waren Lieder aus der schwedischen Hitparade. Er hatte sich bereits damit abgefunden, eine Weile Schlagergeplärr zu hören, als er eine Kassette fand, die so alt war, dass man die Beschriftung kaum lesen konnte. Das spielte keine Rolle, denn er erkannte sie wieder und wusste, was dort stand: »Kalle Sender wählt eine Telefonnummer.«
    Am Kassettenrekorder fehlte das Stromkabel. Emsig durchwühlte er die Schubladen auf der Suche nach dem Netzstecker, während er immer erwartungsvoller wurde. Gemeinsam mit seinem Vater hatte er diese Kassette viele Male gehört. Als Kind hatte er die Telefonscherze Kalle Senders unglaublich witzig gefunden und war gespannt, wie sie ihm heute gefallen würden.
    Er fand das Kabel, schloss den Kassettenrekorder an, legte die Kassette ein und ließ sie laufen. Man hörte ein leises Tuten, mit dem signalisiert wurde, dass nun das Gespräch begann, und Anders stellte lauter, weil die Kassette so alt und abgegriffen war, dass der Ton abgenutzt zu sein schien.
    »Hallo, guten Tag, hier spricht Ingenieur Måstersson …«
    Anders saß mit dem Ohr am Kassettenrekorder und lauschte, während Kalle Sender sich nach allen Details zu den Bienenkörben der Marke Svea erkundigte, die er angeblich kaufen wollte. Die naive Dame am anderen Ende der Leitung beantwortete bereitwillig all seine Fragen, die immer irrwitziger wurden.
    Anders musste laut lachen, als Kalle wissen wollte, ob die Bienenkörbe auch Reflektoraggregate ähnlich denen in Bootstanks hätten, lachte noch mehr, als er von eingegrabenen Bienenkörben berichtete, die er in Deutschland gesehen hatte. Als er gegen Ende eine vollkommen sinnlose Geschichte über eine kleine, völlig vereiste Jolle zum Besten gab, »und dann, als es Frühling wurde … da tauchte dieses Boot auf!«, lachte Anders so schallend, dass er einen Abschnitt verpasste und zurückspulen musste.
    Als das Telefonat vorbei war, drückte Anders auf Stopp. Er hatte Bauchschmerzen und Tränen in den Augen. Aber gute Schmerzen und freundliche Tränen. Er strich sich über die Augen und schenkte sich noch ein Glas Wein ein. Als er die Kassette wieder einschalten wollte, um sich das nächste Gespräch anzuhören, kam Elin in die Küche.
    »Was ist das?«
    »Kalle Sender. Findest du es lustig?«
    »Nein, nicht wirklich.«
    Anders wurde wütend und musste sich beherrschen, um keine boshafte Bemerkung zu machen. Elin gähnte und sagte: »Ich geh ins Bett.«
    »Tu das.« Sie blieb noch einen Moment stehen, und Anders ergänzte: »Ich bleibe hier sitzen. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Elin ging ins Schlafzimmer, und Anders war mit Kalle Sender allein in der Küche. Er prostete dem Kassettenrekorder zu, zündete sich eine Zigarette an und hörte weiter. Kalle bewarb sich um eine Stelle als Schlagzeuger in einer Tanz- und Popkapelle, untersuchte die Möglichkeiten, Bäume zu fällen, und war am Kauf einer gebrauchten elektrischen Gitarre interessiert. Anders musste zwar nicht mehr laut lachen, kicherte aber fast die ganze Zeit.
    Als die Kassette durchgelaufen war, wurde es still in der Küche, und er fühlte sich noch einsamer als zuvor. Kalles sanfte, freundliche Stimme hatte ihm Gesellschaft geleistet. Anders klappte den Deckel hoch, nahm die

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