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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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die von Maria Gripe. Anders hatte nur Käfer fliegen in der Dämmerung gelesen, aber Cecilia erzählte von ein paar anderen, die sich spannend anhörten.
    Im Nachhinein hatte Anders erkennen können, dass ihm dieser Tag letztlich vor allem Gutes gebracht hatte. Cecilia und er hatten sich erst im nächsten Sommer auf dem Findling geküsst und waren ein Paar geworden.
    Aber an jenem Tag hatte es begonnen.
    Heimfahrt
    Der Motor sprang beim ersten Ruck an, und Anders entfernte sich schnell von Gåvasten. Das Tempo gab ihm Sicherheit, er glaubte nicht, dass eine Möwe fünfzehn Knoten schaffen würde. Als er ein paar Hundert Meter weit gefahren war, drehte er sich um. Die Möwen waren dazu übergegangen, den Leuchtturm zu umkreisen.
    Er hob die Plastikflasche auf und ließ sie in seiner freien Hand hin und her pendeln. Die Flüssigkeit war undurchsichtig, trüb. Die gleiche quälende Hellsichtigkeit, die ihn selbst übermannte, wenn er von dem Gift trank, hatte an jenem Tag in den Augen seines Vaters geleuchtet, als er ihn und Cecilia gesehen hatte.
    Ihr sollt euch lieben. Hütet euch nur vor dem Meer.
    Das war in verkürzter Form die Geschichte von Anders’ Leben seit jenem Tag. Aber warum hatte sein Vater angefangen, von dem Gift zu trinken? Es war doch gar nicht das Meer gewesen, das ihn am Ende umgebracht hatte.
    Oder etwa doch?
    Anders war zweiundzwanzig gewesen, als es passierte. Sein Vater war zu jener Zeit bereits Frührentner, weil er »Aussetzer« hatte. Manchmal erschien er völlig groggy auf seiner Arbeit bei der Werft, dann tauchte er zwei Tage überhaupt nicht auf, kehrte zurück, arbeitete eine Woche ganz normal, um danach wieder zu verschwinden. So ging es auf Dauer nicht weiter, und man schaffte es, eine frühzeitige Pensionierung zu erwirken.
    Er war allerdings nach wie vor beliebt, und wenn eine zusätzliche Arbeitskraft benötigt wurde, rief man ihn an und sondierte die Lage. War sie gut, kam er, packte mit an, wo es nötig war, und bekam ein paar Scheine bar auf die Hand.
    So war er unter anderem fleißig an der Errichtung der neuen Halle beteiligt, in der man die Boote der Sommerurlauber im Winter unterbringen wollte. Als das Richtfest gefeiert werden sollte, war er selbstverständlich eingeladen. Das Gebäude war zwar noch nicht ganz fertig, aber der Rohbau und das Dach standen. Außerdem hatte man schon lange kein Fest mehr gefeiert, also musste es eins geben.
    Es wurde getrunken und geredet, und es wurde spät. In den frühen Morgenstunden verabschiedete sich Johan und wankte zum Hafen hinunter, um mit dem Boot nach Hause zu fahren. Das war nicht weiter ungewöhnlich, denn man wusste, dass er den Weg nach Domarö wenn nötig sogar mit verbundenen Augen finden würde.
    Also sagte man Gute Nacht und Fahr vorsichtig und Pass auf, dass du keinen Elch anfährst und danach sah man ihn nicht mehr auf dieser Seite des Stroms.
    Niemand wusste genau, was geschehen war, aber man ging davon aus, dass Johan im Dunkeln in den Hafen gekommen und dort von Müdigkeit übermannt worden war oder sich einfach überlegte hatte, doch nicht heimzufahren. Stattdessen hatte er ein paar Persenninge zusammengerafft und sich aus ihnen eine Schlafstatt gemacht. Ein paar Persenninge als Unterlage, andere als Decke.
    So lag er auch noch um sieben Uhr morgens, als ein Lastwagen mit Sand zum Gießen von Platten in den Hafen zurücksetzte. Torbjörn, der Fahrer, war ebenfalls auf dem Fest gewesen, und es war spät geworden. Als er im Rückspiegel die alten Persenninge herumliegen sah, hatte er keine Lust, aus dem Wagen zu steigen und sie beiseitezuschaffen, sondern fuhr über sie hinweg. Das Hinterrad überrollte etwas, und er setzte weiter zurück. Das Vorderrad überrollte etwas Kleineres, und er setzte weiter zurück. Erst als er ein paar Meter weiter gefahren war, warf er einen Blick auf den Persenninghaufen und sah, dass etwas unter ihm herauslief. Daraufhin hielt er an und stieg aus.
    Später sollte Torbjörn sich verfluchen, weil ihm nicht aufgefallen war, dass Johans Boot noch im Hafen lag, denn dann hätte er womöglich etwas geahnt, weil Johan dazu neigte, an den unmöglichsten Orten einzuschlafen. So aber hatte er keinen Gedanken an Johan verschwendet und ihn stattdessen beim Zurücksetzen mit fünf Tonnen Sand überrollt. Den Anblick, der sich Torbjörn bot, als er die Persenninge fortzog, würde er nie mehr vergessen.
    Man hatte eine Flasche selbst gebrannten Schnaps erwähnt, den man neben Johans Körper gefunden

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