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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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nicht liegen bleiben.«
    Ein Zittern lief durch Johans Körper, und ein abgrundtiefes Räuspern brummte durch seine Brust. Cecilia zog sich zurück, als Johan den Kopf hob und sich auf die Seite rollte. Er hatte auf einer halb vollen Plastikflasche gelegen, die von seinem Gewicht eingebeult worden war.
    Sein Blick fiel auf Cecilia. Seine Augen waren aus schmutzigem Glas, ein Speichelfaden zog sich von seinem Mund zum Gras. Er schmatzte, räusperte sich und sagte lallend: »Ihr sollt euch lieben.«
    Die Demütigung streckte Anders zu Boden und sprühte Rot auf seine Wangen. Die Hand seines Vaters tastete suchend nach Cecilias Fuß, als wollte er ihn packen. Als er ihn nicht erreichte, blickte er zu ihr auf und sagte: »Hütet euch nur vor dem Meer.«
    Anders’ Scham explodierte in blinder Wut, und er lief zu seinem Vater und holte zu einem Tritt aus. Ein letzter Funken Vernunft gab seinem Fuß jedoch in letzter Sekunde eine andere Richtung, sodass er nicht den Kopf seines Vaters, sondern die Plastikflasche traf, die davonflog und über die wildwüchsige Grasfläche hoppelte.
    Das reichte nicht. Sein Vater zog die Mundwinkel zu einem dämlichen Grinsen hoch, und Anders wollte sich auf ihn stürzen, um die Wut aus seinem Körper heraus- und in seinen Vater hineinzuprügeln, als Cecilia seinen Arm packte und ihn wegzog.
    »Hör auf! Hör auf! Das hat doch keinen Sinn.«
    »Ich hasse dich!«, schrie Anders seinen Vater an. »Kapierst du nicht, dass ich dich hasse!«
    Dann floh er. Er wusste nicht, was er Cecilia sagen sollte, es gab keine Entschuldigung oder Erklärung. Er war ein Stück Dreck mit einem Stück Dreck als Vater und noch schlimmer, ein Bauerntrampel und Stück Dreck. Keiner der anderen hatte Eltern, die so etwas machten. Sie tranken Wein, sie wurden lustig. Aber sie lagen nicht am helllichten Tag vor ihren Häusern und sabberten. Das machten nur die Väter nichtsnutziger Bauerntrampel.
    Er lief über die Felsen zu den Fischerhütten im Hafen und wollte einfach nur fort, fort, fort. Er würde einen großen Stein in die Arme nehmen und ins Meer springen, er würde sich selbst auslöschen und nie mehr sein.
    Er kam an den Fischerhütten vorbei und lief auf einen der kleinen Bootsstege hinaus, an dem Boote in fröhlichen Farben vertäut lagen, er lief ganz hinaus, blieb stehen und blickte in das glitzernde Wasser hinab. Dann setzte er sich am äußersten Rand des Stegs hin.
    Ich werde ihn umbringen.
    Lange Zeit hatte er dort gesessen, Pläne geschmiedet und verschiedene Methoden in Erwägung gezogen, seinen Vater zu töten, als er hinter sich Schritte auf dem Steg hörte. Er war drauf und dran, ins Wasser zu springen, blieb aber sitzen. Dann hörte er Cecilias Stimme hinter seinem Rücken.
    »Anders?«
    Er schüttelte den Kopf. Er wollte nicht reden, er war nicht hier, er war nicht Anders, das passierte nicht. Cecilias Shorts raschelten leise, als sie sich hinter ihm auf den Steg setzte. Er wollte nicht, dass sie ihn tröstete oder etwas Nettes, Beschwichtigendes sagte. Er würde es doch nicht glauben. Er wollte, dass sie wegging und ihn in Frieden ließ.
    Sie blieben eine Weile sitzen. Dann sagte Cecilia: »Meine Mutter ist genauso.«
    Anders schüttelte erneut den Kopf.
    »Doch«, beharrte Cecilia. »Nicht wirklich genauso. Aber fast.« Als Anders stumm blieb, fuhr sie fort: »Sie trinkt voll viel und dann … dreht sie total durch. Sie hat meine Katze vom Balkon geworfen.«
    Anders drehte sich halb um. »Ist sie gestorben?«
    »Nee. Wir wohnen im ersten Stock. Aber seither hat sie vor fast allem Angst.«
    Sie schwiegen. Anders sah die Katze vor sich, die vom Balkon im ersten Stock flog. Cecilia wohnte also auch in einer Wohnung. Anders drehte sich so, dass er sie aus den Augenwinkeln sehen konnte. Sie saß im Schneidersitz auf dem Steg, das Kinn in die Hände gestützt. Er fragte: »Wohnst du mit deiner Mutter allein?«
    »Ja. Wenn sie so ist, gehe ich immer zu meiner Oma. Die ist toll. Ich darf bei ihr übernachten und so.«
    Anders hatte Cecilias Mutter ein paarmal gesehen, und da war sie nicht betrunken gewesen. Aber als er nun daran zurückdachte, fand er, dass sie doch so aussah. Eine Anspannung in ihrem Gesicht und glasige Augen. Vielleicht war sie betrunken gewesen, ohne dass er es so deutlich sehen konnte wie bei seinem Vater.
    Sie sprachen weiter, und nach einer Weile wandte sich ihre Unterhaltung anderen Themen zu. Es stellte sich heraus, dass auch Cecilia gerne backte und Bücher las, vor allem

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