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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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seine Ruhe zu haben. Von da an verbrachte er dreizehn Jahre dort draußen mit vier Hühnern als einziger Gesellschaft.
    Am Krieg fand er keinen Gefallen. Das Donnern der Schießübungen und die Treibminen, die unschädlich gemacht werden mussten, waren schon schlimm genug, noch schlimmer war jedoch, dass dauernd Leute zu Besuch kamen. Soldaten klopften an die Tür und erkundigten sich nach allen möglichen Dingen, Boote, die auf Erkundungsfahrt waren, legten an seinem Steg an. Eine Weile war die Rede davon, dass die Insel befestigt werden sollte, aber diese Pläne verliefen im Sand.
    Wie das ausgesehen hätte. Auf den Felsen unter sich einen Schutzwall mit einer Batterie Kanonen zu haben, Wehrpflichtige, die überall herumliefen und rauchten und die Hühner erschreckten. Nein, wenn es so weit gekommen wäre, hätte er auf der Stelle seine Kündigung eingereicht.
    Ein Gutes hatte der Krieg jedoch.
    Gustav Jansson war nie verheiratet gewesen. Nicht, weil er etwas gegen Frauen gehabt hätte, nein, er konnte sie genauso wenig leiden wie Männer, aber er war seiner Natur nach nun einmal ein Eigenbrötler und für die Zweisamkeit einer Ehe nicht geeignet.
    Mit dem Krieg kam dann allerdings eine Frau, die er erträglich fand. Er wäre nie so weit gegangen, sie zu heiraten, selbst wenn die Möglichkeit dazu bestanden hätte, aber er fand sich mit ihrer Gesellschaft ab und ertappte sich mit der Zeit dabei, dass er sich auf die Tage freute, an denen sie mit Kautabak und Zeitungen seine Insel besuchte.
    Er war ein Mann, der trotz allem nicht blind für weibliche Reize war, aber am meisten schätzte er an Anna-Greta, dass sie nicht dauernd den Mund aufriss. Gustavs Schweigsamkeit machte die Leute oft nervös, und als gäbe es eine Quote, die erfüllt werden musste, redeten sie selbst deshalb umso mehr.
    Anna-Greta jedoch nicht. Erst als sie sich ungefähr ein Jahr kannten, wechselten sie mehr Worte, als unbedingt nötig waren, um das Geschäftliche abzuhandeln. Gustav hatte damals bei Anna-Greta ein Puzzle gekauft. Als er es gelegt hatte, wollte er ein neues kaufen, was zu einigen Verhandlungen führte. Welches Motiv, wie viele Teile?
    Er wurde Abonnent für Puzzles, vorzugsweise mit maritimen Motiven. Weil er weder Platz noch Lust hatte, fertige Puzzles aufzubewahren, legte er sie möglichst vorsichtig und nahm sie wieder auseinander, wenn sie fertig waren. Einmal im Monat kam Anna-Greta und nahm das abgehakte Puzzle zurück und er bekam ein neues. Zum halben Preis, weil Anna-Greta das einmal benutzte Puzzle weiterverkaufen konnte.
    Im Laufe der Jahre kam es so zum einen oder anderen Gespräch, in dem es nicht ums Geschäft ging. Es entwickelte sich eine gewisse Vertraulichkeit zwischen ihnen.
    Zwei Jahre nach Kriegsende herrschte allgemein die Auffassung, Gustav Jansson habe den Verstand verloren. Seine Arbeit als Leuchtturmwärter erledigte er tadellos, da gab es nichts zu meckern, aber reden konnte man mit dem Burschen nicht. Er hatte zu viel in der Bibel geschmökert.
    Anna-Greta wusste es besser. Sicher, außer den Puzzles war die Bibel die einzige Zerstreuung, der Gustav sich draußen auf seiner Schäreninsel widmete. Er kannte sie in- und auswendig und pflegte zudem Selbstgespräche zu führen, bei denen der eine Part ein strenger Prophet und der andere ein Freidenker war.
    Aber verrückt war er nicht. Gustav hatte nur herausgefunden, dass die sicherste Methode, unwillkommene Besucher in die Flucht zu schlagen, darin bestand, den Propheten zu spielen. Es berührte die Leute unangenehm, dass ihnen die Worte des Herrn bereits verkündet wurden, wenn sie ihre Boote gerade erst an Gustavs Steg vertäuten, und ihre Besuche blieben deshalb kurz. Man ließ Gustav mit seinem Leuchtturm und seinem Gott in Ruhe.
    An einem Nachmittag Anfang der Fünfzigerjahre traf Anna-Greta später als üblich zu ihrem monatlichen Besuch ein. Es wehte zwölf Sekundenmeter Nordwind, und Gustav wunderte sich, dass sie überhaupt kam. Während Anna-Greta Gustavs Waren ins Leuchtturmwärterhaus verfrachtete, frischte der Wind weiter auf. Es kamen Böen, die den Windmesser bis auf zwanzig ausschlagen ließen.
    Es sah ganz so aus, als würde Anna-Greta die Nacht auf der Insel verbringen müssen. Über sein Kurzwellenfunkgerät nahm Gustav Kontakt mit Nåten auf, wo man versprach, Torgny, Maja und Johan wissen zu lassen, dass Anna-Greta in Sicherheit war und auf besseres Seewetter wartete, ehe sie heimfuhr.
    Auch wenn Anna-Greta und Gustav eine

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