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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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um sich zu nackter Angst zu steigern, als sie wieder an ihrem Bootssteg anlegten und sich verabschiedeten.
    Er hatte Angst um Marita und Angst vor Marita. Davor, wie es nun weitergehen sollte, nachdem die Maske gefallen und alles ans Licht gekommen war.
    Das Leben mit einer Fixerin. Die Mechanismen sind so quälend, und man hat das alles schon einmal gehört. Genug davon. Es heißt, dass Marita sich nach diesem Zwischenfall nicht mehr die Mühe machte, ihre Drogensucht zu vertuschen. Sie verbrachte in jenem Sommer nur noch wenige Tage auf Domarö.
    Den Herbst über hielt sie sich auf den Beinen und meisterte das Engagement im China mit Bravour. Danach ging es abwärts. Simon suchte an Adressen mit üblem Ruf nach ihr, und es gelang ihm, kurzzeitig dafür zu sorgen, dass sie medizinisch versorgt wurde. Dann verschwand sie wieder. Sie verpasste zwei Vorstellungen und blieb für alle Welt verschwunden, bis sie Simon aus Kopenhagen anrief und er hinfuhr.
    Und so weiter, und so weiter.
    Er hatte Anna-Greta und Johan angerufen, um sie ins China einzuladen. Sie kamen und staunten. Nachher rief Johan an, um sich nach weiteren Orten zu erkundigen, an denen man Illusionisten sehen konnte, und als Simon zurückrief, ging Anna-Greta an den Apparat.
    Im Winter und Frühjahr telefonierten sie ein, zwei Mal in der Woche. Anna-Greta kam gut allein zurecht, aber sie war gleichzeitig ziemlich einsam. Ohne näher auf Details einzugehen, erzählte sie, dass sie einige Dinge getan hatte, die es mit sich brachten, dass manche Menschen nichts mit ihr zu tun haben wollten.
    Sie wusste Simons Anekdoten aus der Artistenwelt zu schätzen und teilte seine Sorge um Marita. Als das Frühjahr sich dem Sommer zuneigte, konnten sie beide nicht mehr ohne diese Gespräche leben und wurden schlecht gelaunt und ängstlich, wenn ihnen etwas dazwischenkam, sodass sie ihr wöchentliches Gespräch aufschieben mussten.
    Mithilfe von hundert Kilometern Kupferdraht wurden sie Freunde, aber keiner der beiden berührte auch nur mit einem Wort das Thema Liebe. Darum ging es hier nicht. Sie waren nur zwei Menschen, die sehr verschieden lebten, sich aber dennoch auf einer gemeinsamen sprachlichen Ebene begegnen konnten. Sie verstanden einander und fanden Gefallen aneinander. Etwas anderes kam nicht infrage.
    Und was war mit Marita? Wie erging es ihr?
    Wenn man das nur wüsste.
    Nichts deutete darauf hin, dass sich ihre Drogensucht verschlimmerte, und nachdem sie sich ein, zwei Mal einen Lapsus geleistet hatte, war sie bei ihren Auftritten wieder die Alte. Sobald sich jedoch eine Gelegenheit dazu ergab, verschwand sie. Flüchtige Bekannte berichteten Simon, dass sie sich nachts, oftmals mit anderen Männern, in einschlägigen Vergnügungslokalen amüsierte.
    Er hatte sie aufgegeben. Wenn sie um seine Hilfe flehte, war er immer für sie da, aber er machte sich keine Illusionen mehr über ein normales Privatleben mit dieser Frau, die für ihr eigenes und das Wohl anderer zu schön war. Um das Unglück nicht herauszufordern, stellte Simon ein Programm zusammen, das er allein aufführen konnte, und nahm ein paar Engagements damit an.
    Er war ein geborener Stoiker. Solange die Dinge nicht noch schlimmer wurden, konnte er das Ganze ertragen. Er hatte gelobt, Marita in guten wie in schlechten Zeiten zu lieben, und auch wenn er sie nicht mehr lieben konnte, betrachtete er es doch als seine Pflicht, zumindest was die schlechten Zeiten betraf, sein Versprechen zu halten.
    An einem Frühlingstag ging Simon auf dem Weg zum China in Stockholm den Strandvägen hinunter, um mit der Direktion über mögliche zukünftige Engagements zu verhandeln. Die Stockholmer Laubbäume schlugen gerade aus, und unzäh lige lebhafte und fröhliche Vögel zwitscherten um die Wette. Simon schaute zu Boden und dachte an nichts.
    Da erreichte ihn ein Duft. Anfangs wusste er nicht einmal zu sagen, was es war, aber seine Brust weitete sich, und er konnte plötzlich atmen, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Er blickte auf und sah, dass er sich am Norrmalmstorg befand. Der Geruch kam vom Nybrokai, und was ihm da in die Nase stieg, war das Meer. Ein Hauch von Salz, der weiter weg, weiter draußen immer stärker werden würde. Auf Domarö.
    Er richtete sich auf und füllte seine Lungen mit Luft. Es dauerte nicht mehr lange. Obwohl es seinen Geldbeutel strapazieren würde, hatte er sich diesen Sommer frei gehalten, sodass er fünf, vielleicht sogar sechs Wochen auf Domarö verbringen können würde. Er

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