Menschenhafen
wäre gerne noch länger geblieben, aber Marita hatte einen teuren Lebensstil, und auch wenn er gerne diesen Anschein erweckte, so konnte er doch in Wahrheit kein Geld herbeizaubern.
Soll ich vielleicht da draußen was machen? Es so organisieren, dass ich ein paar Vorstellungen in der näheren Umgebung gebe?
Er blieb am Rand des Berzeliusparks stehen und schaute zum Nybrokai hinüber. Dann kam ihm die Idee.
Ausbruch
Man hatte inzwischen fast einen Monat darauf gewartet. Anfangs war es nur ein Gerücht gewesen, dann waren Plakate aufgehängt worden. Und dann, vorgestern, hatten sie es sogar im Radio verkündet. Dieser Zauberer, der sich bei Anna-Greta eingemietet hatte, würde am Schiffsanleger auf Domarö seine Entfesselungsnummer aufführen.
Als Zeitpunkt wurde zwölf Uhr angegeben. Schon gegen zehn trafen die ersten Neugierigen vom Festland und von anderen Inseln ein, um sich einen guten Platz zu sichern und das Terrain zu sondieren. Man konnte sie beim Schiffsanleger um hergehen und ins Wasser spähen sehen, als wären sie auf der Suche nach Hilfsmitteln, nach heimlichen Vorrichtungen. Gegen halb zwölf trafen zudem ein Journalist und ein Fotograf der Norrtelje Tidning ein. Zu diesem Zeitpunkt standen ungefähr zweihundert Menschen dicht gedrängt auf dem Anleger. Der Journalist erläuterte jedem, der es hören wollte, dass es zwar verboten sei, in der Zeitung für derart riskante Unternehmungen Werbung zu machen, über sie zu schreiben sei jedoch definitiv erlaubt.
In Erwartung der Hauptperson zog ein Stockholmer, der sich auf einer anderen Insel eingemietet hatte, die größte Schar von Zuhörern an. Viele hatten schon einmal von dem dänischen Entfesselungskönig Bernardi gehört, aber der Stockholmer war der Einzige, der bei einem seiner Auftritte dabei gewesen war, und zwar im Zirkus Brazil Jack. Es steigerte die angespannte Stimmung noch, als der Stockholmer erzählte, dass Bernardi bei einem ganz ähnlichen Entfesselungsversuch auf Bornholm umgekommen war.
Die Menge um den Stockholmer verlief sich erst, als die Polizei eintraf. Obwohl es ja eigentlich kein richtiger Polizist war. Es war doch nur Holmbergs Göran, der zwar die Polizeihochschule besucht und zwei Jahre im Feld gearbeitet hatte, aber trotz allem von der Insel stammte. Er sah sich eher mit scherzhaften Bemerkungen als Respekt konfrontiert, als er zu Ehren des Tages in voller Montur mit Mütze und allem Drum und Dran auftauchte.
»Platz für den Vertreter der Obrigkeit«, »Nimm Karlsson fest, es ist noch Vormittag und er ist schon betrunken« und ähnliche Kommentare musste Göran sich anhören, der erklärte, Simon habe ihn gebeten zu kommen. Gleichsam wegen des Effekts. Außerdem hatte er Göran gebeten, Handschellen mitzubringen, die nun zwischen allen, die sie untersuchen wollten, die Runde machten. Man zog und zeigte und stellte fest, die Dinger waren tatsächlich echt.
Ein paar Leute hatten Simon mit seiner Assistentin im Stockholmer Vergnügungspark Gröna Lund auftreten sehen, aber damals hatte er keine Entfesselungsnummer gezeigt. Die ganze Angelegenheit war im Übrigen ein Rummel, mit dem Werbung für die Vorstellungen gemacht werden sollte, die Simon im Laufe des Sommers im Versammlungshaus von Nåten geben würde. Als die Uhr zwölf schlug, sah es zweifellos ganz danach aus, als sei ihm dies gelungen. Mindestens fünfhundert Personen hatten sich auf und um den Schiffsanleger versammelt, als Simon sich von seinem Haus kommend näherte.
Das war schon ein bisschen komisch. Ein Zauberer sollte eigentlich einen Auftritt haben, zum Beispiel aus einer Rauchwolke auftauchen. Aber er war doch nur dieser Bursche, der sich bei Anna-Greta eingemietet hatte und jetzt von seinem Haus auf der anderen Seite der Bucht angeschlendert kam. Das tat zwar der Mystik Abbruch, steigerte jedoch gleichzeitig die Besorgnis. Würde er das wirklich schaffen können, dieser … Urlauber?
Als Johan und Anna-Greta zum Schiffsanleger hinunterkamen, hatte man für sie ganz vorn einen Platz freigehalten. Sie waren ja sozusagen beteiligt. Jemand stieß Anna-Greta an.
»Du wirst dich unter Umständen nach einem neuen Mieter umsehen müssen.«
Anna-Greta verzog den Mund. »Wir werden ja sehen.«
Es war nicht ihre Art, allen und jedem ihre Gefühle zu offenbaren, und auch jetzt, als sie am äußeren Ende des Schiffsanlegers stand, die Hände in den Taschen der Strickjacke vergraben, verriet ihr Gesicht keine Gemütsregungen.
Aber ehrlich gesagt war auch
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