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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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verloren. Theoretisch hätte sie sogar schreien können. Glücklicherweise hatte sie das nicht getan, aber der Stachel saß, und sie war wütend.
    »Was für ein Ding, nicht?«, sagte Johan.
    Anna-Greta nickte kurz, und Johan raufte sich die Haare und schaute zu Simon hinüber. »Ich finde ihn wirklich unglaublich.«
    »Andere können das auch«, erwiderte Anna-Greta. Als Johan sie vorwurfsvoll ansah, fragte sie: »Was hat er dir eigentlich vorher gesagt?«
    Johan lächelte geheimnisvoll und verzog den Mund. »Aaach … ich weiß nicht.«
    Anna-Greta schlug ihm leicht auf die Schulter. »Was hat er gesagt?«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Ich bin nur neugierig.«
    Johan blickte zu den Fischerhütten hinüber, wo Kalle zu einer neuen Tirade angesetzt hatte und verkündete, dass er jeden, der sich Simon nicht im Versammlungshaus ansehen wollte, eigenhändig ins Meer werfen würde. Johan zuckte mit den Schultern.
    »Er hat gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen. Dass er ein paar Minuten wegbleiben würde, damit die Wirkung besser ist.«
    »Warum hat er das gesagt?«
    Johan sah Anna-Greta an, als wollte sie sich über ihn lustig machen.
    »Damit ich mir keine Sorgen mache natürlich.« Er musterte Anna-Greta und ergänzte: »Wie du.«
    Sie versuchte nicht einmal zu protestieren. Johan kannte sie und war scharfsinnig. Stattdessen sagte sie: »Nee, ich glaube, das reicht mir für heute. Kommst du mit nach Hause?«
    Johan schüttelte den Kopf und blickte ins Wasser hinab. »Nee, ich bleib noch was.«
    Anna-Greta schlang die Strickjacke enger um sich und verließ den Schiffsanleger und die Menschenansammlung. Auf halbem Weg zu ihrem Haus drehte sie sich um und sah zum Hafen hinunter. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so viele Menschen am Anleger gesehen zu haben, nicht einmal an Mittsommer.
    Johan stand nicht mehr auf dem Anleger, wahrscheinlich hatte er sich zu den Bewunderern gesellt.
    Na ja , dachte sie. Es war gut, dass er das zu Johan gesagt hat. Das war schon fürsorglich .
    Sie marschierte weiter zu ihrem Haus hinauf und fühlte es, gestattete sich aber kaum, den Gedanken zu formulieren: Aber mir hat er nichts gesagt.
    Am Abend saß Simon mit einem Cognac an seinem Gartentisch. Das letzte Zubringerboot war gekommen, und Marita hatte immer noch nichts von sich hören lassen. Unten am Schiffsanleger badeten ein paar Jugendliche.
    Der ganze Körper tat ihm weh, und am schlimmsten waren die Schmerzen in den Schultergelenken, die er fast hatte auskugeln müssen, um sich von den Ketten zu befreien. Es war keine besonders schwierige Entfesselungsnummer gewesen, da kaum Seile benutzt worden waren, aber die Ketten waren ungewöhnlich gut festgezurrt gewesen, und er hatte unter Wasser fast eine ganze Minute benötigt, bis er sie los war. Hätte er diese zusätzliche Minute nicht gehabt, bevor der Sack hineingestoßen worden war, hätte er sofort auftauchen müssen, als er fertig war.
    Aber er hatte eine zusätzliche Minute gehabt, die er genutzt hatte, um am Grund bis zum hintersten Bootssteg zu schwimmen und im Schutz der Boote aus dem Wasser zu steigen. Damit hatte er die gewünschte Wirkung erzielt und glaubte deshalb, dass die Vorstellungen im Versammlungshaus gut besucht sein würden.
    Simon führte das Glas an den Mund und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als es in seinem Brustkorb zog. Er konnte nicht mehr lange so weitermachen. Die Belastung war zu groß für seinen Körper. Einmal hatte er sich eine Rippe gebrochen, als ein Mann wirklich alles darangesetzt hatte, Simon erfolgreich zu fesseln. Nach dieser Episode hatte er aufgehört, eine Belohnung für denjenigen auszuloben, dem es gelang. Die Leute waren auch so energisch genug.
    Der Leuchtturm von Gåvasten blinkte im hellen Sommerabend, und die Lampe war nur ein Punkt, der kleine Lichtbündel aufs Wasser warf.
    Man sollte es genießen .
    Die Vorstellung war ein großer Erfolg gewesen, es war ein schöner Abend, und der Cognac floss warm durch seinen steifen Körper. Er sollte es genießen.
    Aber so wie jetzt war es oft. Nach gelungenem Tamtam mit Jubel und großem Hallo war die Leere hinterher umso größer. Außerdem war Marita wieder einmal verschwunden, und Simon hatte bereits ein Glas mehr getrunken als sonst. Er wollte nicht abstürzen wie so viele seiner Kollegen, die ins Schnapsmeer fielen und nie wieder auftauchten. An diesem Abend fand er jedoch, dass er sich ein paar Gläser verdient hatte.
    So fängt es wahrscheinlich an , dachte Simon

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