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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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meinen Mann. Dir ist ja wohl klar, dass du dann auch bezahlen musst.«
    Simon fuhr aus seinem Stuhl hoch, packte Marita am Handgelenk und zog sie zum Haus. »Jetzt hältst du die Klappe!«
    Marita geriet durch die heftige Bewegung ins Straucheln, und Simon schleppte sie hinter sich her zur Treppe. Marita ließ sich einige Meter über den Rasen schleifen und schrie dann um Hilfe: »Hilfe! Hilfe!«
    Simon blickte auf, um Anna-Greta mit den Augen eine Art Botschaft zukommen zu lassen, ein ich bitte um Entschuldigung oder verurteile mich nicht , aber noch ehe sein Gesicht die entsprechende Miene aufsetzen konnte, sah er, dass hinter den Fliedersträuchern ein Mann hervortrat. Jemand, der dort gewartet hatte.
    Marita entwand sich Simons Griff, kroch auf allen vieren zu dem Neuankömmling und sagte mit jämmerlicher Stimme: »Rolf, er schlägt mich.«
    Rolf war so groß, dass er aussah, als könnte er Simon in den Armen tragen. Ein heller und schmutziger Leinenanzug umhüllte seine Muskeln, aber er schien seinen Körper nur schlecht unter Kontrolle zu haben. Er ging auf Simon zu, aber seine Schritte waren unterschiedlich lang und die Arme schlenkerten willenlos. Die Haut in seinem Gesicht war dunkelrot und seine Nase schuppte sich. Seine Mundwinkel waren unnatürlich nach unten gezogen, als hätte er einen Schlaganfall erlitten.
    Da Simon auf einer abschüssigen Böschung stand, türmte Rolf sich etwa zwanzig Zentimeter über ihm auf, als er mit dem Finger drohte.
    »Du sollst deine Frau nicht schlagen. Du sollst ihr Geld geben.«
    Marita kauerte sich wie auf dem Umschlag zu einem Groschenroman zu Rolfs Füßen zusammen. Simons Herz schlug schnell, als er die Arme vor der Brust verschränkte, zu den Augen des Riesen aufsah – seine Augäpfel waren blutunterlaufen – und sagte: »Und was geht das dich an … Rolf ?«
    Rolf zog die Wangen hoch, sodass seine Augen zu Schlitzen wurden, was angesichts der herabhängenden Mundwinkel äußerst merkwürdig aussah, aber Simon war nicht nach Lachen zumute. Rolfs Pupillen irrten einige Sekunden hin und her, dann sagte er: »Dir gefällt mein Name nicht, stimmt’s? Du findest, dass er lächerlich klingt.«
    Simon schüttelte den Kopf. »Nein, ich finde, es ist ein wunderbarer Name, aber ich kapiere nicht, was du hier zu suchen hast.«
    Rolf blinzelte zweimal und sah zu Boden. Seine Lippen bewegten sich, als würde er Simons Worte gründlich analysieren und die eigene Antwort abwägen. Marita blickte zu Rolf auf wie zu einem Orakel. Simon schaute sich um und stellte fest, dass Anna-Greta nicht mehr in der Nähe war.
    In Gedanken ging Simon rasch Gegenstände in der Nähe durch, die als Waffen infrage kamen. Am nächsten war der Spaten, der in zehn Meter Entfernung an die Treppe gelehnt stand. Rolf hatte seine Denkarbeit beendet und sagte bedächtig: »Du hast also nicht vor, ihr Geld zu geben?«
    »Nein.«
    Rolf seufzte. Dann legte er die Hand auf Simons Arm, als wollte er ihm eine vertrauliche Mitteilung machen. Ehe Simon reagieren konnte, zog Rolf seine rechte Hand zu sich heran, schloss die Faust um seinen kleinen Finger und bog ihn nach hinten. Der Finger würde jeden Moment brechen, und Simon wurde auf die Knie gezwungen. Dort unten hielt sich bereits Marita auf und glotzte ihn auf eine Art an, die Simon deutlich machte, dass von ihrer Seite keine Hilfe zu erwarten war. Sie sah … lüstern aus.
    Hiernach hat sie sich gesehnt .
    Der Finger wurde weiter nach hinten gebogen, und Simon kam nicht einmal dazu, den Mund zu öffnen, um zu sagen, dass er ihnen Geld geben oder sie umbringen oder zu einem Bootsausflug mitnehmen würde, ehe Rolf auch schon zudrückte und der Finger gebrochen wurde. Ein stechender Schmerz schoss durch Simons Arm und drang als tiefes Husten aus seinem Mund. Für den Bruchteil einer Sekunde wirbelten Dinge vorbei, die seine Hände nun nicht mehr tun können würden,
    die Karten, die Tücher, die Seile, die zerrissene Zeitung,
    ehe alle Dämme brachen und er laut aufschrie. Er sah seinen kleinen Finger wie einen sinnlosen Hautfetzen herabhän gen, und schmutziger Schmerz vergiftete sein Blut, während ihm Tränen in die Augen stiegen. Er schrie nochmals, diesmal jedoch eher aus Verzweiflung als vor Schmerz. Marita saß still und sah ihn an.
    Dann warf Rolf sich auf ihn. Er setzte sich auf Simons Brust, zwang seinen Arm zur Seite und presste die verletzte Hand auf einen Stein. Rolf zog ein großes Klappmesser aus der Jackettasche, das er mithilfe einer

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