Menschenhafen
an, der völlig durchnässt war, und es tropfte, wenn sie ging, und ihre Augenhöhlen waren leer. Gierige Fische hatten …
Hör auf!
Er öffnete die Augen, schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus der Flasche. Das Bild blieb. Der kleine Körper, ihr rundes Gesicht, der klatschnasse Schneeanzug …
Er untersuchte den Fußboden, um zu sehen, ob es Spuren von Wasser gab, fand aber keine.
Ich habe das geschrieben. Ich habe die Perlen gesteckt.
Das war durchaus möglich. Und wenn es so war, wurde er wirklich allmählich verrückt. Aber er hatte doch auch einen Filmriss gehabt, nicht wahr? Und in der verschwundenen Zeit …
Nein.
Als er die Perlen sah, hatte er geglaubt , er hätte einen Filmriss gehabt, weil er sich nicht mehr erinnerte, sie dorthin gesteckt zu haben. Aber jetzt gab es eine andere Erklärung.
Trag mich.
Er hämmerte mit den Fäusten auf den Tisch.
»Zeig dich! Sag mir mehr! Tu mir so was nicht an!«
Er konnte nicht glauben, dass er derart von Sinnen war. Die einzig mögliche Erklärung lag darin, dass ihm irgendwer einen wirklich kranken Streich spielte, oder … dass es tatsächlich war, wie es zu sein schien, und Maja auf irgendeine Art in dieser Welt war und sich mit ihm zu verständigen versuchte.
Er ließ die Hände auf der Tischplatte liegen und atmete mehrmals ruhig und vorsichtig ein und aus. Dann nickte er still.
Ja. So ist es. Ich beschließe. Dass ich daran glaube.
Er nickte weiter, trank noch einen Schluck Wein und zündete sich eine Zigarette an. Nachdem er akzeptiert hatte, wie die Dinge lagen, fühlte er sich besser. Er zog lange an seiner Zigarette, behielt den Rauch in der Lunge, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ den Rauch langsam ausströmen. Der Sturm hatte sich so weit gelegt, dass er nicht zerstreut wurde, ehe er die Decke erreichte.
Ich glaube. Es gibt dich.
Der Lichtkreis der Lampe wurde größer und zu einer Wärme, die in seiner Brust anschwoll, bis sie zu purer Freude erblühte.
Es gibt dich!
Er warf die Zigarette in den Ausguss, stand auf und drehte sich mit ausgestreckten Armen auf dem Küchenfußboden. Er machte ein paar täppische Tanzschritte, hüpfte und wirbelte herum, bis ihm schwindlig wurde und er husten und sich hin setzen musste. Die Freude blieb. Sie sprühte Funken und schwappte über, wollte irgendwie hinaus.
Ohne nachzudenken, zog er das Telefon zu sich heran und wählte Cecilias Nummer. Er wusste sie noch, weil sie die Wohnung ihrer Eltern in Uppsala übernommen hatte, als diese in ein Haus gezogen waren. Sie hatte die gleiche Nummer wie damals, als sie in ihrer Jugend Stunden am Telefon verbracht und sich nach der nächsten Begegnung gesehnt hatten. Wenn sie denn noch dort wohnte.
Es klingelte dreimal. Anders presste den Hörer fest ans Ohr, sah auf die Uhr und grimassierte. Es war Viertel nach vier. Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass dies möglicherweise nicht die beste Zeit des Tages war, um jemanden anzurufen. Als es zum fünften Mal klingelte, nahm er einen Schluck aus der Flasche.
»Hallo?«
Es war Cecilia, und sie klang so verschlafen, wie es zu erwarten gewesen war. Anders schluckte den Wein hinunter, den er im Mund hatte, und meldete sich: »Hallo, ich bin’s, Anders.«
Es blieb sekundenlang still, dann sagte Cecilia: »Du darfst mich nicht anrufen, wenn du betrunken bist. Das habe ich dir gesagt.«
»Ich bin nicht betrunken.«
»Und was bist du dann?«
Anders dachte nach. Die Antwort war einfach.
»Froh. Ich bin froh. Und da habe ich gedacht, dass ich … dich anrufen und dir erzählen sollte, warum.«
Cecilia seufzte, und Anders erinnerte sich. Er hatte sie mehrmals so angerufen. Nach ihrer Trennung hatte er sie manchmal angerufen, um ihr zu sagen … was hatte er gesagt? Er war betrunken gewesen und konnte sich nicht mehr erinnern. Aber er hatte sie nie angerufen, weil er froh war. Glaubte er jedenfalls.
»So so«, meinte Cecilia. »Und warum bist du jetzt froh?«
Das klang nicht, als würde es sie wirklich interessieren, wofür er durchaus Verständnis hatte, weshalb er tief Luft holte und sagte: »Maja hat Kontakt zu mir aufgenommen.«
Man hörte das Rascheln von Bettwäsche am anderen Ende der Leitung, als Cecilia sich aufsetzte. »Was sagst du da?«
Anders erzählte, was passiert war. Er ließ das Detail mit Elin und den großen Mengen Wein unerwähnt, sagte nur, dass er eingeschlafen und mitten in der Nacht aufgewacht war und was er auf dem Küchentisch gefunden hatte. Während er
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