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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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sprach, strich er mit den Fingern über die Buchstaben in der Tischplatte, über die Stiftplatte.
    Als er fertig war, blieb es lange still. Anders räusperte sich: »Was sagst du dazu?«
    An den Geräuschen bei Cecilia hörte Anders, dass sie sich wieder hinlegte.
    »Anders. Ich habe einen anderen Mann kennengelernt.«
    »Aha. Aha?«
    »Und deshalb … gibt es nicht viel, was ich noch für dich tun kann.«
    »Aber … darum geht es hier doch gar nicht.«
    »Und worum geht es dann?«
    »Darum dass … darum dass … Cecilia, es ist wirklich so. Es stimmt. Was ich dir sage, ist wahr.«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«
    Das Einfache wurde plötzlich schwer. Anders ließ den Blick über den Tisch schweifen, als wollte er dort einen Hinweis finden. Seine Augen fielen einmal mehr auf die sieben dünnen Buchstaben.
    »Ich weiß nicht. Ich … wollte es einfach nur erzählen.«
    »Anders. Die Zeit, die wir gemeinsam hatten … obwohl es dann endete, wie es nun einmal endete … wenn du Hilfe brauchst. Wenn du wirklich, wirklich , Hilfe brauchst. Dann helfe ich dir. Aber sonst nicht. Das kann ich nicht. Verstehst du?«
    »Ja, ich verstehe. Aber … aber …«
    Die Worte blieben kurz vor den Lippen hängen. Er hörte, was er gesagt hatte, wie das Gespräch verlaufen war. Und erkannte, dass sie überhaupt nichts anderes sagen konnte.
    Was hätte ich gesagt?
    Er dachte nach. Er hätte sich auf die Möglichkeit gestürzt, wäre bereit gewesen, praktisch alles zu glauben. Oder etwa nicht? Er hatte sich doch selbst gegen das Wunder gesträubt. Aber er hätte trotzdem nicht wie Cecilia geantwortet. Er hätte ihr schon deshalb geglaubt, um eine Entschuldigung dafür zu haben, mit ihr zusammen zu sein. Er spürte einen Stich in der Brust und musste husten.
    Cecilia wartete ab, bis er fertig gehustet hatte, dann sagte sie: »Gute Nacht, Anders.«
    »Warte! Nur noch eins. Was soll das bedeuten?«
    »Was?«
    »Trag mich. Was soll das bedeuten?«
    Cecilia atmete hörbar aus, ohne zu seufzen, da die Luft einen leisen Laut mit sich brachte, das Fragment eines Wimmerns. Vielleicht hatte sie eigentlich etwas anderes sagen wollen, nun aber meinte sie: »Ich weiß es nicht, Anders. Ich weiß es nicht. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.« Einen Atemzug später ergänzte er: »Entschuldige«, aber die Verbindung war schon unterbrochen, sie hatte ihn nicht mehr gehört. Anders legte den Hörer zurück und lehnte die Stirn auf den Tisch.
    Einen anderen Mann.
    Erst jetzt erkannte er, wie sehr er in einem Winkel seines versoffenen Gehirns immer noch gehofft hatte, dass sie trotz allem irgendwo, irgendwie …
    Ein anderer Mann. War er da gewesen, hatte er zugehört? Nein. Man hatte nicht das Gefühl gehabt, als wäre noch eine andere Person anwesend gewesen. Cecilia hatte nicht gesprochen, als hätte ihnen jemand zugehört.
    Dann wohnen sie noch nicht zusammen. Vielleicht …
    Er knallte seine Stirn mit Wucht auf den Tisch. Weißer Schmerz schoss durch seinen Schädel. Die Gedankenknäuel wurden entwirrt, weggefegt.
    Gib auf. Gib auf.
    Er hob den Kopf, und der Schmerz war eine Flüssigkeit, die ihre Lage änderte, von der Stirn zum Hinterkopf geworfen wurde und dort verharrte. Er schaute sich mit klaren Augen in der Küche um und sagte: »Es gibt nur dich und mich.«
    Das Meer umarmte die Ufersteine, löste seine Umarmung und umarmte sie erneut. Vor und zurück, vor und zurück. Bis in alle Ewigkeit die gleiche Bewegung. Zupacken und loslassen, und noch einmal von vorn.
    Er war müde, konnte nicht mehr.
    Mit den Kopfschmerzen an ihrem Ort stand er auf und durchquerte das Wohnzimmer, ignorierte die Scherben auf dem Fußboden und die Zündspäne, die durchs Zimmer geflogen waren und unter seinen Füßen knirschten. Er ging ins Schlafzimmer. Ohne Licht zu machen oder sich auszuziehen, glitt er in Majas Bett und zog ihre Decke über sich.
    Jetzt ist es gut. So.
    Im schwachen Mondlicht, das zum Fenster hereinfiel, sah er das Doppelbett in der Zimmermitte.
    Da steht das große Bett. Dahin kann ich gehen, wenn ich Angst bekomme.
    Er schloss die Augen und schlief auf der Stelle ein.
    Strandgut
    Als es gegen halb neun an der Tür klopfte, hatte Simon nur zwei Stunden geschlafen. Der Wind und böse Vorahnungen hatten ihn wach gehalten, bis das erste Licht des Morgengrauens zum Schlafzimmerfenster hereinfiel. Gleichzeitig war der Wind schwächer geworden, und er selbst hatte sich endlich entspannt und einem leichten Schlaf überlassen. Als er

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