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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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erfolglos, Rauchringe zu machen.
    Etwa fünfzig blaue Perlen und fünf weiße saßen in eine Ecke der Stiftplatte gedrückt. Die weißen bildeten einen kleinen, von blauen umgebenen Klumpen. Er rieb sich die Augen und versuchte sich zu erinnern, wann er sie dorthin gesteckt hatte. Er war heimgekommen, ziemlich betrunken gewesen und hatte willkürlich ein paar Perlen in die Platte gedrückt. Danach konnte er sich an nichts mehr erinnern, bis er sich auf die Couch gelegt und dem Wind gelauscht hatte und schließlich eingeschlafen war.
    Das Muster aus blauen und weißen Perlen ergab keinen Sinn und war nicht sonderlich hübsch. Als der Rauch einen zähen Kloß in seinem Hals bildete, räusperte er sich, und seine Augen suchten nach einem Messer oder etwas Ähnlichem, mit dem er die Perlen wieder heraushebeln konnte. Neben der Stiftplatte lag ein Bleistift, und er hatte ihn schon in die Hand genommen, als er erkannte, dass er sich nicht dazu eignete.
    Dann fielen ihm die Buchstaben ins Auge.
    Der Stift hatte auf ein paar Buchstaben gelegen, die mit solchem Druck direkt auf die Tischplatte geschrieben worden waren, dass sich in dem alten Holz Vertiefungen gebildet hatten. Anders lehnte sich vor und las:

    Anders starrte die Buchstaben an und strich mit dem Finger über die schwache Vertiefung, die sie bildeten.
    Frag mich?
    Sein Blick klebte förmlich an den krakeligen Buchstaben, und er traute sich nicht, nach links oder nach rechts zu schauen. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken.
    Hier ist jemand.
    Irgendjemand sah ihn. Er spannte die Muskeln in den Beinen an, schluckte schwer und schoss ohne Vorwarnung und mit solchem Schwung von seinem Stuhl hoch, dass dieser umkippte. Sein Blick fuhr durch die Küche, in alle Ecken und Schatten. Da war niemand.
    Er sah aus dem Küchenfenster, aber obwohl er die Hände um die Augen legte, schirmten die Kiefern das Mondlicht so ab, dass er nicht sehen konnte, ob dort draußen jemand stand, der ihn beobachtete. Er verschränkte die Arme vor der Brust, um sein rasendes Herz an Ort und Stelle zu halten. Es war jemand im Haus gewesen und hatte diese Buchstaben geschrieben. Vermutlich dieselbe Person, die ihn beobachtete. Er zuckte zusammen und lief zur Haustür. Sie war nicht abgeschlossen. Er öffnete sie und sah die Schaukel, die hin und her geworfen wurde, sich im Kreis drehte und gegen den Baumstamm schlug. Sonst nichts.
    Er kehrte in die Küche zurück, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, trocknete es mit einem Küchenhandtuch ab und versuchte sich zu beruhigen. Es gelang ihm nicht. Ohne zu wissen wovor, hatte er schreckliche Angst. Eine besonders heftige Sturmbö ließ das Haus in seinen Grundfesten erzittern, und man hörte ein Knacken.
    Im nächsten Augenblick zersplitterte eine der Scheiben im Wohnzimmer, und Anders schrie auf. Glas klirrte auf den Fußboden, und Anders schrie weiter. Der Wind sauste ins Haus, packte alles, was leicht und lose war, warf es um, heulte den Schornstein hinauf, heulte in allen Hohlräumen, und Anders heulte mit. Seine Haare flatterten, und feuchte Luft schwappte über ihn, während er mit krampfhaft vor der Brust verschränkten Armen im Raum stand und laut schrie. Er hörte erst auf, als seine Kehle wehtat.
    Seine verknoteten Arme lockerten sich, und er entspannte sich ein wenig und atmete ruhig durch den aufgerissenen Mund.
    Es ist keiner gekommen. Das war nur der Wind. Der Wind hat eine Schreibe eingedrückt. Das ist alles.
    Er schloss die Küchentür, und der Wind trat den Rückzug an und zog sich ins Wohnzimmer zurück, wo Anders ihn mit alten Zeitungen und Papieren kämpfen hörte. Er setzte sich an den Küchentisch und legte den Kopf in die Hände. Die Buchstaben waren noch da. Der Wind hatte sie nicht mitgenommen.

    Er presste die Hände auf die Ohren und schloss die Augen ganz fest. Es wurde dunkelrot vor seinen Augen, aber er konnte ihnen nicht entfliehen. Die Buchstaben traten leuchtend gelb hervor, verschwanden und wurden erneut auf seine Netzhaut geschrieben.

    Plötzlich nahm er die Hände weg, stand auf und sah sich um. Nein. Die Zeichnungen waren nicht hier. Mit zwei schnellen Schritten war er an der Küchentür, riss sie auf und durchquerte das Wohnzimmer, ohne den Wind zu beachten, der nach der Decke griff, die er wie einen Mantel trug.
    Er ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich, fiel neben Majas Bett auf die Knie und tastete mit den Armen, bis er fand, wonach er suchte. Die Plastikmappe mit Majas

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