Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
GA-Stift an einer Kette. Richards zog den Block heraus, legte ihn auf seine Knie und schrieb ungeschickt:
    »Es steht 100 zu 1, dass man Sie mit einer Wanze ausgestattet hat. Sie steckt im Schuh oder in Ihrem Haar, vielleicht auch in Ihrem Blusenärmel. Ich wette, dass McCone uns belauscht und nur darauf wartet, dass Sie die Maske fallen lassen. Spielen Sie gleich einen hysterischen Anfall und flehen Sie mich an, den Ring nicht zu ziehen. Das wird unsere Chancen erhöhen. Machen Sie mit?«
    Sie nickte. Richards zögerte einen Moment und kritzelte dann auf den Block: »Warum haben Sie für mich gelogen?«
    Sie nahm ihm den Füller aus der Hand und ließ ihn einen Augenblick über dem Papier ruhen, bevor sie schrieb: »Weiß nicht. Ich kam mir wie eine Mörderin vor. Frau. Und Sie wirkten so« – der Füller hielt inne, zitterte unschlüssig über dem Papier und kratzte dann weiter – »bedauernswert.«
    Richards zog die Augenbrauen hoch und grinste ein bisschen – das tat weh. Er bot ihr noch einmal den Stift an, aber sie schüttelte stumm den Kopf. Da schrieb er: »Fangen Sie in ungefähr fünf Minuten mit Ihrer Vorstellung an.«
    Sie nickte, und er knüllte das Papier zusammen, steckte es in den Aschenbecher in seiner Armlehne und zündete es an. Eine kleine, gelbe Stichflamme züngelte hoch und warf einen matten Widerschein auf das Fenster. Dann fiel der Brief zu Asche zusammen, in der Richards nachdenklich herumstocherte.
    Knapp fünf Minuten später fing Amelia Williams zu stöhnen an.
    Es klang so echt, dass Richards zuerst verwirrt auffuhr. Dann schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, dass ihr Stöhnen wahrscheinlich echt war.
    »Bitte nicht«, sagte sie. »Bitte zwingen Sie diesen Mann doch nicht dazu … dass er Sie herausfordern muss. Ich habe Ihnen doch nichts getan. Ich möchte endlich nach Hause, zu meinem Mann und meiner Tochter. Auch ich habe eine Tochter. Sie ist sechs und wird sich jetzt fragen, wo ihre Mami ist.«
    Richards spürte, wie seine Augenbrauen sich in einem nervösen Tick zweimal hoben und senkten. Er wollte nicht, dass sie so gut spielte. Nicht ganz so gut.
    »Er ist dumm«, sagte er, wobei er sich bemühte, nicht für ein unsichtbares Publikum zu sprechen. »Aber ich halte ihn nicht für so dumm. Es wird alles wieder gut werden, Mrs. Williams.«
    »Das können Sie leicht sagen. Sie haben ja nichts zu verlieren.«
    Er antwortete ihr nicht. Sie hatte ja so recht. Es gab wohl nichts, was er nicht schon verloren hatte.
    »Zeigen Sie’s ihm doch«, flehte sie. »Um Himmels willen, warum zeigen Sie ihm nicht einfach den Sprengstoff? Dann muss er Ihnen ja glauben … dann wird er vielleicht die Leute am Boden zurückbeordern. Sie haben ihre Raketen auf uns gerichtet. Ich habe gehört, wie er es befohlen hat.«
    »Ich kann es ihm nicht zeigen«, sagte Richards. »Wenn ich es aus meiner Jacke herausziehe, muss ich entweder die Zündung sichern oder das Risiko eingehen, uns aus Versehen in die Luft zu jagen. Außerdem«, fügte er mit spöttischer Stimme hinzu, »würde ich es ihm wohl auch dann nicht zeigen, wenn ich könnte. Schließlich ist er die Made, die dabei etwas zu verlieren hat. Soll er doch schwitzen.«
    »Ich glaube, ich halte das nicht länger aus«, sagte sie. »Ich glaube fast, ich werfe mich einfach auf Sie und mache der Sache ein Ende. Es wird ja sowieso so ausgehen, nicht wahr?«
    »Sie haben keine …«, begann er, doch dann wurde die Tür aufgestoßen, und McCone stürzte halb, halb schlenderte er, hinein. Sein Gesicht wirkte ruhig, doch unter dieser Ruhe entdeckte Richards ein seltsames Glänzen, das er auf Anhieb erkannte. Es war der Glanz der Angst, weiß, wächsern und durchscheinend.
    »Mrs. Williams«, sagte er brüsk. »Würden Sie bitte Kaffee machen? Für sieben Personen. Leider müssen Sie auf diesem Flug Stewardess spielen.«
    Sie stand auf, ohne einen der beiden anzublicken. »Wo?«
    »Vorn«, sagte McCone glatt. »Folgen Sie einfach Ihrer Nase.« Er stand da wie ein freundlich blinzelnder Mann – und bereit, sich sofort auf sie zu stürzen, wenn sie auch nur eine Bewegung auf Richards zu machte.
    Sie schritt durch den Mittelgang, ohne sich noch einmal umzublicken.
    McCone fixierte Richards und fragte: »Würden Sie aufgeben, wenn ich Ihnen Amnestie zusichern könnte, sobald wir gelandet sind, Freund?«
    »Freund?«, wiederholte Richards verwundert. »Das Wort klingt wirklich schmierig aus Ihrem Mund.« Er streckte die Finger seiner freien Hand aus und

Weitere Kostenlose Bücher