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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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betrachtete sie aufmerksam. Die Hand war schmutzig und mit Spuren getrockneten Bluts bedeckt. Überall waren Stiche und Kratzer zu sehen, die er sich auf seiner Wanderung durchs Unterholz im südlichen Maine zugezogen hatte. »Wirklich schmierig!«, wiederholte er. »Wenn Sie es sagen, erinnert es an zwei Pfund fettiges Hamburgerzeug, das in einer Pfanne gebraten wird. Der einzige Hamburger, den man in den Wohlfahrtsläden in Co-Op City bekommen kann.« Er sah auf McCones gut verhüllten Spitzbauch. »Aber das«, fuhr er fort, »das da sieht mehr nach einer Steakwampe aus. Beste Qualität. Die besten Stücke enthalten überhaupt kein Fett bis auf den dünnen Rand auf der Außenseite, stimmt’s?«
    »Amnestie«, wiederholte McCone. »Wie hört sich das für Sie an?«
    »Wie eine Lüge«, sagte Richards lächelnd. »Wie eine dicke, fettige Scheißlüge. Glauben Sie, ich wüsste nicht, dass Sie nichts weiter als eine bezahlte Hilfskraft sind, McCone?«
    McCone wurde rot. Es war kein zartes Erröten; es war hart und rot wie ein Ziegelstein. »Es wird guttun, wenn Sie wieder auf dem Boden sind«, sagte er. »Wir besitzen hochexplosive Geschosse, die Ihren Kopf in einen Kürbis verwandeln, der vom obersten Stockwerk eines Wolkenkratzers auf den Bürgersteig gefallen ist. Sie sind mit Gas gefüllt und explodieren beim Auftreffen. Ein Bauchschuss auf der andern Seite …«
    Richards schrie: »Jetzt reicht’s! Ich ziehe den Ring!«
    McCone kreischte und stolperte zwei Schritte rückwärts, fiel über die gepolsterte Sessellehne von Sitz Nummer 95 auf der anderen Seite des Gangs und ruderte wie verrückt mit den Armen abwehrend durch die Luft, während er hintenüber in dem Sitz versank, als wären seine Füße mit einem Lasso eingefangen worden.
    Seine Hände erstarrten mit gespreizten Fingern vor seinem Gesicht wie versteinerte Vögel. Er stierte durch diesen grotesken Rahmen wie eine Totenmaske aus Gips, der jemand zum Spaß eine randlose Brille aufgesetzt hatte.
    Richards fing an zu lachen. Es klang zuerst etwas brüchig und zögernd und selbst in seinen eigenen Ohren fremd. Wie lange war es her, dass er so richtig herzlich gelacht hatte, ein ehrliches Lachen, das völlig gelöst und unwillkürlich aus tiefstem Bauch heraus kommt? Es schien ihm, als hätte er das sein ganzes graues, anstrengendes und ernstes Leben lang noch nicht erlebt. Aber jetzt erlebte er es.
    Du Arschloch.
    McCones Stimme versagte ihm den Dienst; er konnte die Worte nur mit den Lippen formen. McCones Gesicht war verzerrt und verzogen wie das Gesicht eines schlecht behandelten Teddybärs.
    Richards lachte. Er hielt sich mit seiner freien Hand an der Sitzlehne fest und lachte und lachte und lachte.

… Minus 022 Countdown läuft …
     
    Als Holloway Richards über den Bordlautsprecher informierte, dass sie soeben die Grenze zwischen Kanada und Vermont überflogen (Richards nahm an, dass er sich in seinem Job auskannte; er selbst konnte unter sich nur Dunkelheit und ab und zu ein paar Lichter entdecken), stellte er vorsichtig seine Kaffeetasse ab und sagte: »Würden Sie mir bitte eine Karte von Nordamerika geben, Captain Holloway?«
    »Eine geografische oder eine politische Karte?«, schaltete eine neue Stimme sich ein. Richards nahm an, dass sie dem Navigator gehörte. Jetzt erwartete man von ihm, dass er den Dummen spielte und nicht wusste, welche Karte er wollte. Was er auch nicht tat.
    »Beides«, sagte er kategorisch.
    »Werden Sie die Frau nach vorn schicken, um sie zu holen?«
    »Wie heißen Sie, Sportsfreund?«
    Die zögernde Stimme eines Mannes, der mit Beklommenheit merkt, dass er plötzlich allein dasteht. »Donahue.«
    »Ich nehme an, Sie haben Beine, Donahue. Wie wär’s, wenn Sie sie mal in Bewegung setzen und die Karten selbst nach hinten bringen würden?«
    Donahue setzte seine Beine in Bewegung. Er hatte lange Haare, die auf Rockerart nach hinten gekämmt waren, und seine Hose war so eng geschnitten, dass er im Schritt etwas präsentierte, das wie ein Beutel Golfbälle aussah. Die Karten steckten in einer Plastikhülle. Richards hatte keine Ahnung, worin Donahues Eier steckten.
    »Ich wollte nicht unhöflich sein«, sagte er widerwillig. Richards musterte ihn. Er hatte das Gefühl, den Mann einordnen zu können. Wohlhabende junge Männer mit jeder Menge Freizeit, die sie in den schäbigen Vergnügungsvierteln der großen Städte verbrachten, wo er sich mit einer Horde Gleichgesinnter herumtrieb, die die Gegend manchmal zu Fuß,

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