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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Mund leise, unverständliche Töne, die sie an das Brabbeln eines Kleinkindes erinnerten. Als sie endgültig seine Hand von ihm gelöst hatte und in sein Gesicht sah, erkannte sie, dass seine Augenlider zwar noch immer weit offen standen, die Pupillen jedoch nicht zu sehen waren. Sie blickte in weiße, von roten Adern durchzogene Augäpfel.
    Watane rollte sich von dem Mann herunter, schüttelte ihre schmerzende, kaum zu öffnende rechte Hand, holte tief Luft und verharrte ein paar Sekunden in dieser Position. Dann schwang sie sich auf, warf erneut einen Blick auf den Eindringling, dessen Haltung sich jedoch nicht verändert hatte, und nahm wahr, dass es sein Messer war, das vorher zu Boden gefallen war. In einer Woge grenzenloser Wut und unbändigen Hasses griff sie nach der Waffe, nahm sie in die Hand und beugte sich über den Mann auf dem Boden.
    »Du Schwein«, flüsterte sie, während die Klinge bedrohlich schnell auf seinen Hals zusteuerte. »Du verdammtes Schwein.«
    Wieder nahm Watane den modrigen Geruch seiner Lederjacke wahr, als sie sich dem Kleidungsstück näherte, doch diesmal wurde sie dabei nicht von aufkommender Todesangst paralysiert. Nun war es fast so, als würde der Geruch sie aus einem mörderischen Traum erwecken, aus einem Traum, in dem sie Unmenschliches mit Unmenschlichem zu vergelten suchte. Sie blickte auf das Messer in ihrer Hand, warf es angewidert zu Boden und wollte gerade aufstehen, als sie einen anderen Gedanken hatte. Mit flinken Fingern öffnete die Japanerin den Reißverschluss der Jacke, griff in die Innentasche und zog eine lederne Brieftasche heraus, die sie, ohne sich dem Inhalt zu widmen, auf den Tisch warf. Danach durchsuchte sie die weiteren Taschen, in denen sich, außer benutzten Papiertaschentüchern, jedoch nichts befand. Noch immer zitternd, erhob sie sich erneut, raffte ihre Geldscheine und seine Brieftasche zusammen und war keine zehn Sekunden später aus der Wohnung verschwunden.

15
     
    »Das gibt’s doch gar nicht«, murmelte Thilo Hain ungläubig, und auch sein Boss, der etwa einen Meter neben ihm im Eingang zu der von außen unscheinbaren Halle stand, zeigte sich höchst beeindruckt von dem, was die beiden Kripobeamten zu sehen bekamen. Aneinandergereiht zu Quadraten von jeweils vier Stück, waren Kühltruhen zu erkennen. Jeder Quadratzentimeter des großen Raumes war, durchzogen von schmalen Gängen dazwischen, vollgestellt mit den weißen, im Chor leise vor sich hin brummenden Geräten.
    Der Oberkommissar bewegte sich ein paar Schritte nach vorn, warf einen weiteren Blick auf das merkwürdige Ensemble und sah danach seinen Chef ein wenig geistesabwesend an.
    »Sind unsere ehemaligen Fußballstars, bevor sie ins Gras beißen mussten, etwa ins Speiseeisgeschäft eingestiegen? Noch dazu im tiefsten Winter?«
    »Keine Ahnung, Thilo«, antwortete Lenz nach einer kurzen Pause. »Aber wie es aussieht, könntest du mit deiner Vermutung recht haben.«
    Damit trat er nach links, wo vor dem ersten Viererensemble eine einzelne Truhe stand, hob den Deckel an und schaute ein paar Sekunden hinein. Dann griff er mit einer Hand nach dem Inhalt und wühlte ein wenig darin herum. Als er seinen Körper wieder aufgerichtet hatte, schüttelte er den Kopf.
    »Das glaubst du jetzt nicht. Das ist gar kein Eis.«
    Hain stellte sich neben ihn, richtete seine Taschenlampe nach unten und folgte dem Licht des bläulich schimmernden Strahls. Dann griff auch er zu und wühlte den Inhalt durcheinander.
    »Das sind ja Fische«, bemerkte er überflüssigerweise.
    »Brillant erkannt«, lobte Lenz sarkastisch. »So viel Sachverstand um die Tiergattungen hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    »Ach, leck mich doch«, erwiderte der Oberkommissar vergnügt und ohne jeden Groll, schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung zur nächsten Truhe und öffnete den Deckel der weißen Kiste. Erneut kam seine kleine Taschenlampe zum Einsatz, gefolgt von ein paar ruppigen Bewegungen mit der freien anderen Hand und dem Schließen des Deckels. Dann richtete er seinen Oberkörper wieder auf.
    »Auch Fisch«, wusste er zu berichten. »Zwar in Kartons verpackt, aber eindeutig Fisch.«
    Lenz zuckte erwartungsvoll mit den Schultern.
    »Und?«
    »Was und? Hätte ich eine Geschmacksprobe nehmen sollen, ob er noch genießbar ist, der Fisch?«
    »Nein, du Dumpfbacke. Aber du hättest dir ansehen können, ob etwas auf den Kartons zu lesen ist. Und wenn, in welcher Sprache es aufgedruckt ist. Vielleicht sind es ja sogar

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