Menschenskinder
auch Hülsenfrüchte und schmecken fast genauso gut.«
»Im Nudelsalat?«
Nein, das nun wohl doch nicht. »Klingle doch mal nebenan bei Frau Wallner, die hat bestimmt so was vorrätig!«
Frau Wallner war nicht da, und Frau Merz von schräg gegenüber bedauerte, sie habe nur tiefgefrorene: »Konserven kaufe ich so gut wie nie.«
Sehr vernünftig, der Abfallcontainer für Dosen ist sowieso immer voll.
Hätte sich eine von uns gleich ins Auto gesetzt und wäre losgefahren, dann hätten wir zehn Minuten später die benötigten Sachen gehabt, so aber fiel Anne ein, dass es von Nudelsalat verschiedene Varianten gebe, darunter auch eine ohne Erbsen, sie habe erst kürzlich in einem Kochbuch … wisse nur nicht mehr genau, in welchem … »Ach, kommt doch einfach schnell mit rein, bloß aufn Kaffee, ich wollte sowieso ’ne Viertelstunde Pause machen!«
Zwar war ihr Kaffee auch gerade alle, aber davon hatte ich noch genug, Karen stiftete den Rest von schon etwas drögem Hefezopf (»Ihr müsst ihn in den Kaffee tunken, dann merkt man das gar nicht!«), und dann blätterten wir gemeinsam die Kochbücher durch. Den Nudelsalat fanden wir nicht. »Na ja, vielleicht hat das Rezept ja auch in der Zeitung gestanden«, räumte Anne ein, während sie die Tassen noch einmal füllte, »aber ich weiß genau, dass da keine Erbsen reinkamen.«
»Bist du dir denn wenigstens sicher, dass es Nudelsalat war und nicht irgendein anderer?«
Nein, so ganz sicher war sie sich jetzt auch nicht mehr, doch: »Auf dem Foto hat er genauso ausgesehen.«
Hätte es nicht plötzlich brenzlig gerochen, dann hätten wir unsere Kaffeepause wahrscheinlich noch länger ausgedehnt, doch jetzt wurde sie abrupt beendet. Mit einem »Himmel, mein Kuchen!« stürzte Anne in die Küche. Wir stürzten hinterher. Die kleinen Rauchwölkchen aus dein Backofen signalisierten unübersehbar, dass da drinnen etwas nicht stimmte. Also Topflappen her, Klappe auf, tastender Griff zur Kuchenform, vor lauter Qualm nicht erkennbar, auf den Tisch geknallt, hustend mit geschlossenen Augen Fenster aufgerissen, etwas klirrte, doch erst nachdem der Qualm abgezogen war, wurden Einzelheiten erkennbar. Die schon sehr gut durchgebackene, schwärzliche Hälfte des Napfkuchens wurde jetzt gnädig von rosa Nelken verdeckt, der danebenstehende Karamellpudding schwamm im Blumenwasser, und der größte Teil der zerbrochenen Vase schaukelte im Spülbecken hin und her.
»Glaubst du wirklich, auf diese Weise wird sie streichfähig?« Mit spitzen Fingern zog Karen eine Scherbe aus dem Toaster und passte sie in die Vase ein. »Ich würde es lieber mal mit Sekundenkleber versuchen.«
»Schmeiß alles in den Mülleimer, da ist es gut aufgehoben! Andere Leute gewinnen an der Losbude Kugelschreiber oder etwas ähnlich Nützliches, ich ziehe den Hauptgewinn und kriege diesen Pressglas-Kübel!« Erst sammelte sie die Blumen ab, dann klopfte Anne vorsichtig den Gugelhupf aus der Form. »Na gut, links hat er einen Sonnenbrand dritten Grades, gefährlich, aber noch nicht hoffnungslos. Man muss die betreffende Stelle einfach herausschneiden. Skalpell bitte!« Sie ließ sich ein Messer reichen und säbelte drauflos.
»Und wie willst du später die Lücke kaschieren?«
»Indem ich ein paar Scheiben aufschneide und zusammen mit dem restlichen Kuchen dekorativ auf einer Tortenplatte anrichte. Vorher kriegt er natürlich eine dicke Ladung Puderzucker verpasst.«
»Nimm Zuckerguss!«, empfahl Karen, misstrauisch den Torso betrachtend. »Der klebt besser und fällt nicht so leicht runter. Puderzucker staubt bloß.«
Anne sah das alles viel gelassener. »Ich weiß gar nicht, weshalb ihr euch so anstellt! Die Kuchen kommen doch sowieso aufs Dessertbüffet, und da geht man erst ran, wenn man sich mit Unterstützung von diversen Bierchen durch Schnitzel, Pommes und Salate gefressen hat. Zu diesem Zeitpunkt sind die Geschmacksnerven aber schon erheblich narkotisiert, und kein Mensch wird sich daran stoßen, wenn der Kuchen vielleicht ein bisschen artfremd schmeckt oder zwischen den Zähnen knirscht. Das Verkokelte habe ich ja schon größtenteils entfernt, und die leicht verbrannten Stellen schrubbe ich nachher noch mit der Muskatnuss-Reibe ab. Guss drüber und Fähnchen oben drauf mit Happy Birthday … fertig!«
»Wenn’s denn schon was Englisches sein muss, solltest du statt ›Happy Birthday‹ doch besser ›Bachelor Party‹ auf die Fahne schreiben«, erinnerte ich sie, »es handelt sich nämlich um
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