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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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für den Gemüse ein Nahrungsmittel für milchproduzierende Haustiere und allenfalls noch für Kleinkinder ist, »und was trinkt man dazu? Brennnesselsaft?« Dann erinnerte er sich, weshalb er überhaupt aus seinem Zimmer herausgekommen war, in dem er schon seit Tagen einer offenbar sehr geruchsintensiven Tätigkeit nachging, denn das ganze Haus stank nach Lack und Terpentin, holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und goss sich ein Glas voll ein. »Gerste und Hopfen sind übrigens auch Naturprodukte, deshalb habe ich nie verstanden, weshalb die meisten dieser Körnchen-Freaks gleichzeitig Antialkoholiker sind.«
    »Vielleicht legen sie keinen Wert auf eine Wölbung unterhalb der Taille«, stichelte Nicki, den fraglichen Bereich bei ihrem Vater musternd, »jemand sollte mal einen Kühlschrank erfinden, der einen beim Öffnen der Tür automatisch wiegt, nicht wahr, Paps?«
    »Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein!«, konterte Rolf sofort. »Das hat nämlich schon Caesar gesagt, und der wird gewusst haben, weshalb. Immerhin ist er ein nicht ganz unbedeutender Staatsmann gewesen.«
    Ich dachte an unseren damaligen Bundeskanzler, bei dem sich Körpergröße und Leibesfülle bald die Waage halten würden, musterte meinen mir seit vierzig Jahren angetrauten Ehemann und kam zu dem Schluss, dass ihm zum erfolgreichen Staatsmann doch noch einige Kilo fehlten. »Lass deinen Vater in Ruhe, ab einem gewissen Alter nimmt man eben zu, dafür kann man nichts, das liegt an den Genen!«
    »An denen liegt’s aber erst, seitdem man sie entdeckt hat. Was hat es denn früher für Ausreden gegeben?«
    Dieses Gespräch nahm eine Wendung, die mir absolut nicht passte. Irgendwo ist es ja ein Widerspruch, dass wir von der Waage in der Fleischabteilung absolute Präzision verlangen, während es uns bei der Badezimmerwaage überhaupt nicht stört, wenn sie nicht ganz genau geht. Unsere tat es aber, deshalb benutzte ich sie auch nur noch unregelmäßig und höchstens dann, wenn ich mich mal wieder zwei Tage lang von (Definition Sven:) ›Papageienfutter und Wiesenkräutern‹ ernährt hatte, also von Müsli und Salat. Nichts auf der Welt weckt doch so viele eitle Hoffnungen wie die ersten vierundzwanzig Stunden einer Diät!
    Nachdem Rolf samt Flasche und Glas die Stätte seiner moralischen Niederlage verlassen und Nicki aus den bunten Stanniolpapierchen ein transplantationsbedürftig aussehendes Herz gelegt hatte, kam sie wieder auf den eigentlichen Grund ihres Kommens zurück.
    »Das ganze Grillgut besorgt natürlich der Pächter vom Sportheim, auch Brot und Brötchen, die Getränke … bloß mit den Salaten sieht’s ein bisschen ärmlich aus. Wenn wir die von einem Partyservice kommen lassen, wird’s höllisch teuer, und alles selber machen ist ja nun wirklich nicht drin. Ich habe ja schon eine ganze Menge freiwillige Spender verpflichtet, aber könntest du vielleicht auch einen Salat …? Oder zwei?« Bittend sah sie mich an. »Du weißt doch, Mami, dein Kartoffelsalat ist nicht zu überbieten!«
    Damit hatte sie offenbar Recht. Ich weiß nicht mehr, wie viele Kilo Kartoffelsalat ich im Laufe meines Lebens zusammengerührt habe, das meiste davon als Spende für irgendwelche Festivitäten. Das hatte im Kindergarten angefangen und bei der Abi-Feier noch immer nicht aufgehört; dazwischen hatten unzählige Schulfeste gelegen, milde Gaben für karitative Veranstaltungen, Grillabende, Umzüge, in deren Verlauf die freiwilligen Helfer abgefüttert werden mussten … und immer sind es meine Schüsseln gewesen, die zuerst leer waren, obwohl zwischen Berliner Kartoffelsalat und der schwäbischen Variante himmelweite Unterschiede bestehen, vor allem in Form von Fleischbrühe. Die gehört in meinen nämlich nicht hinein!
    »Selbstverständlich kriegst du deinen Salat. An wie viel Zentner Kartoffeln hattest du denn gedacht?«
    »An zwei.«
    »Wie bitte?«
    »An zwei Schüsseln natürlich«, sagte sie lachend, rollte ihr Stanniolpapierherz zu einer Kugel zusammen und warf sie in den Papierkorb. »Ich wusste ja, dass du mich nicht im Stich lässt.«
    In der Technik heißt das, was die ganze Arbeit macht, ohne dass man einen Finger zu rühren braucht, Automation. Kinder nennen es ›Mami‹.
    Nachdem der eigentliche Grund ihres Besuchs zu ihrer Zufriedenheit geklärt war, hatte Nicki es plötzlich eilig. »In einer knappen Stunde soll ich in der Schule sein, muss aber noch duschen, mich umziehen …«
    »Um diese Zeit??« Es war kurz nach halb

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