Menschenskinder
einen Polterabend.« Anne ist zwar deutschen Geblütes, jedoch seit dreizehn Jahren mit Eddie aus Michigan verheiratet, und das färbt gelegentlich ab. Sie bügelt ja auch messerscharfe Falten in seine Jeans, weil das in Amerika angeblich so üblich ist und Eddie sich noch immer nicht den deutschen Gepflogenheiten angepasst hat. Auch bei Grillabenden singt er zu fortgeschrittener Stunde lieber Countrylieder statt der schwarzbraunen Haselnuss, und Gitarre spielt er sowieso besser als Heino.
»Wenn ich noch länger hier rumhänge, wird mein Salat nie fertig!«, stellte ich nach einem Blick auf die Uhr fest. »Und Rolf wird auch bald nach Verpflegung schreien. Dabei habe ich gar nichts anzubieten außer kalten Pellkartoffeln.«
»Musst du auch nicht.« Karen schloss das Fenster. »Er ist eben mit einem riesigen Schild unterm Arm Richtung Garage marschiert.«
Auch gut, dann schien er ja doch noch rechtzeitig fertig geworden zu sein. Sein künftiger Schwiegersohn hatte ihn nämlich gebeten, ein gut sichtbares Schild anzufertigen, auf dass ortsunkundigen Besuchern der rechte Weg gewiesen werden könne. Natürlich ist der Sportplatz ausgeschildert, mehrmals sogar und richtig künstlerisch, nicht umsonst gibt es einen einheimischen Schildermaler, außerdem soll das Handwerk ja unterstützt werden, nur kennzeichnen diese Hinweise die reguläre Zufahrt und nicht den Wirtschaftsweg, wie der Hintenherumpfad offiziell heißt. Genau dieser durfte nun nicht nur von Bierlieferanten und Bäckerwagen benutzt werden, sondern ausnahmsweise auch von den Gästen des Polterabends, denn das Festzelt würde hinter dem Clubhaus stehen, wäre also vom normalen Parkplatz aus gar nicht zu sehen. An der Stelle, wo von der Asphaltstraße ein Schotterweg abzweigt, sollte Rolfs Wegweiser aufgestellt werden. So weit, so gut.
Nachdem der Künstler sich mit den topografischen Gegebenheiten vertraut gemacht hatte und die Gesamtstrecke abgefahren war, war er zu dem Schluss gekommen, dass ein Schild keineswegs reichen würde. Es gebe weiter hinten eine nicht gekennzeichnete Weggabelung, und da die meisten Menschen Rechtshänder seien und im Zweifelsfall automatisch nach rechts abbiegen würden, was in diesem Falle falsch wäre … Ferner verdecke ein ausladendes Gebüsch den Blick auf das Zelt, so dass mancher Fahrer in der Annahme, er habe sich verfranzt, schon wieder umdrehen würde … kurz und gut, es seien mindestens drei Wegweiser erforderlich, wovon der erste tunlichst beleuchtet sein sollte. »Bei Dunkelheit findet den Abzweig kein Mensch!«
»Vorgestern hatten wir den längsten Tag und die kürzeste Nacht, da hat’s abends um halb zehn gerade mal zu dämmern angefangen«, wagte ich zu bemerken, »und dass zu diesem Zeitpunkt noch Gäste von außerhalb kommen, möchte ich denn doch bezweifeln.«
Rolf bezweifelte das natürlich nicht, denn wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kriegt man’s nur schwer wieder heraus. Und weil er sogar im Keller noch die alte StallLaterne gefunden hatte, die Svens Flohmarkt-BestückungsStreifzügen entgangen sein musste, wurde sie neben dem wichtigsten Wegweiser aufgehängt. Nur angezündet wurde sie nie; bevor es nämlich so weit war, hatte sie schon einen Liebhaber gefunden.
Waren das herrliche Zeiten, als es noch kein Handy gab! Heute, wo jeder Zweite mit solch einem Minitelefon in der Hemdtasche herumläuft, ist man ja zu keinem Zeitpunkt mehr vor einem Anruf sicher. Vor ein paar Jahren gehörten diese Dinger aber noch nicht zur Grundausstattung eines Durchschnittsbürgers, und deshalb konnte Rolf auch keinen reitenden Boten – also mich! – in Marsch setzen, um ihm längere Nägel zu bringen, einen größeren Hammer und später auch noch eine Säge, weil die vom Tischler großzügig als Abfall zur Verfügung gestellten Leisten viel zu lang waren. Nein, er musste jedes Mal zurückfahren (Luftlinie anderthalb Kilometer!), im Keller selbst das Gewünschte zusammensuchen, wieder ins Auto steigen und wenig später feststellen, dass die Nägel jetzt zwar die richtige Länge, jedoch viel zu kleine Köpfe hatten. Als er zum letzten Mal kam und einen Spaten holte, um die fertigen Wegweiser endlich einzubuddeln, konnte ich mir ausrechnen, dass der Kartoffelsalat bei seiner Rückkehr nicht nur fertig, sondern sogar schon durchgezogen und somit genießbar sein würde, aber da wollte er keinen mehr. Der Wirt vom Clubhaus hatte gerade die Schnitzel angeliefert bekommen und gemeint, bevor er sie zum
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