Menschenskinder
sieben Uhr abends.
Sie grinste. »Man soll den Tag nicht vor dem Elternabend loben! Tschüss!«
Sekunden später knallte die Haustür zu. Und ging wieder auf. »Könntest du eventuell auch noch einen Kuchen backen? Am besten Blech, den kann man notfalls aus der Hand essen. Danke!«
Die gleiche Zeit, derselbe Ort, nur zwei Wochen später präzise gesagt: Zwei Tage vor Beginn des Polterabends.
Handelnde Personen: Außer mir noch Steffi, Hannes und Sven sowie Anne, Nachbarin zur Rechten, und Karen, eben diese auf der anderen Seite, beide im Alter der Zwillinge, beide Mütter mehr oder weniger gesitteter Kinder und während unserer Abwesenheit Anlaufstellen von Briefträger, Paketpost, Eismann, Getränkelieferant und ähnlichen Mitmenschen, die meine Unterschrift oder Zugang zum Haus brauchen, weil sie die Wasseruhr ablesen wollen oder zwei Esslöffel Ruß aus dem Schornstein kratzen müssen. Der Hausherr hatte sich entschuldigt, er müsse an dem einen Schild noch etwas ändern, und das müsse ja bis übermorgen trocken sein. Er sei jedoch mit allem einverstanden, was wir beschließen würden.
Grund der Zusammenkunft war natürlich der Polterabend, beziehungsweise Einzelheiten jenes Auftriebs, den sich Hannes ausgedacht hatte. Unterstützt wurde die Beratung durch eine Flasche Weißherbst, der im Laufe des Abends noch zwei weitere folgten. Nicht zuletzt ihnen war der spätere Erfolg der ganzen Aktion zu verdanken.
»Wie viele Personen werden überhaupt mitmachen?«, erkundigte sich Hannes als Erstes. »Ich muss wissen, ob wir die Regale drin lassen können oder ein paar davon rausräumen müssen.«
Die Rede war von dem größeren seiner zwei Lkw, dem im wahrsten Sinne des Wortes brandneuen, ausgestattet mit einer absenkbaren Laderampe und Regalen an den Wänden, auf dass Außendienstler Lucky das jeweilige Sortiment recht gefällig präsentieren und möglichst viel davon dem Herrn Gärtner oder der Frau Floristin verkaufen kann.
»Natürlich bleiben die Regale drin«, sagte Steffi sofort, »wir rücken doch nicht in Kompaniestärke an!« Sie zählte an den Fingern ab: »Wir sechs, dazu Papi, dann eure Männer, wahrscheinlich noch Toni und Katja, ob Doris kann, weiß sie noch nicht, aber die würden wir ja mitbringen – das wären auch schon alle. Und selbst wenn es noch zwei oder drei mehr werden, reicht der Platz trotzdem.«
»Mich könnt ihr sowieso abhaken«, meldete sich Sven zu Wort, »wenn ich filmen soll, muss ich schon früher oben sein!«
Richtig, unser selbst ernannter Kameramann würde auch dieses Spektakel für die Nachwelt erhalten und hoffentlich genug Erfahrungen gesammelt haben, um nicht wieder die Köpfe der mitwirkenden Personen schwanken zu lassen, als befänden sie sich bei Windstärke Acht auf hoher See. Sascha hatte beim Betrachten seines Hochzeitsfilms nämlich behauptet, nicht die Gäste hätten geschwankt sondern der Mann hinter der Kamera, was mit fortschreitender Zeit immer auffälliger geworden sei, doch sein Bruder hatte diesen Verdacht weit von sich gewiesen. »Steh du mal mit einem Fuß auf dem Stuhl und mit dem anderen auf’m Fensterbrett!«
»Seh’ ich aus, als ob ich so bekloppt wäre?«
Dieser unbequeme Standplatz würde diesmal nicht nötig sein, weil es gar kein Fensterbrett gab. Die ganze Party sollte in einem großen Zelt stattfinden wie man es von Volksfesten her kennt, wo vorne die Kapelle spielt, in der Mitte Tische und Bänke stehen und hinten gezapft wird. Hähnchen und Bockwurst gibt’s draußen am Grill.
So ähnlich sollte es hier ebenfalls ablaufen, mit dem Unterschied, dass es keine Livemusik gäbe, sondern welche aus der Konserve, die Grillstation würde sich innerhalb des Zeltes befinden, genau wie der Getränkeausschank, und statt der sonst üblichen Baustellen-Klos irgendwo in der Pampa dürften selbstverständlich die sanitären Anlagen des Sportheims benutzt werden. Sitzen musste man auf schon etwas strapazierten Bierbänken, und das Alter der dazugehörigen Tische ließ sich unschwer an den darauf eingeritzten Namen ablesen. Wer heißt denn heute noch Manfred, Hans-Jürgen oder Lilo?
Wie jede Kleinstadt hat natürlich auch Bad Randersau seinen Sportplatz, sehr hübsch oben am Wald gelegen, direkt neben dem Friedhof, was jedoch keine Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit mancher Sportarten zulassen sollte. Solange unsere Kinder zur Schule gingen, waren sie wie die meisten Jugendlichen Mitglieder des örtlichen Sportvereins gewesen, wo sich die
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