Menschenskinder
zwischendurch genug Zeit für eine Mittagspause mit Blattsazwischendurch genug Zeit für eine Mittagspause mit Blattsa Kalorien-Diät!
Steffi war fast pünktlich. Und weil der Himmel blau war, die Sonne schien und der Wetterfrosch im Radio auch weiterhin hochsommerliche Temperaturen versprochen hatte, hatte sie bereits das Verdeck heruntergeklappt. »Au prima, vielleicht kriege ich jetzt auch ein bisschen Farbe ab«, freute ich mich, »ist ja kein Wunder, dass du schon wieder so braun bist.«
»Das meiste davon ist Dreck. Ich bin durch die Baustelle hinter Walldorf gefahren, als die gerade zwei Lastwagen Sand abgekippt haben. Bei so was siehste im Cabrio ziemlich alt aus!«
Das stimmte. Nicht nur auf der Karosserie, nein, auch auf den Sitzen, dem Armaturenbrett, an den Fensterscheiben und in jeder Ritze saß eine solide Staubschicht. Während Steffi mit dem Staubsauger herumfuhrwerkte, wusch ich die Scheiben, und als wir endlich fertig waren, läuteten schon die Glocken. Das tun sie sonntags immer noch mal um zwölf, warum, weiß ich nicht. Die Kirche ist längst aus, Konfirmationen sind schon vor Ostern gewesen, und Beerdigungen finden sonntags gar nicht statt. Ich verstaute meinen Koffer – es war der mittelgroße, und richtig voll war er trotz zwei Paar Schuhen nicht geworden –, Rolf knipste schnell einige Fotos wegen »Vorher-Nachher«, das machen Star-Friseure auch immer, wenn sie z.B. einer langhaarigen Blondine die Locken abgeschnitten und ihr eine Stoppelfrisur verpasst haben, weil die ihren Typ angeblich viel besser zur Geltung bringt, und dann fuhren wir endlich los. »Ob dein Vater sich einbildet, ich komme als Teenager zurück?«
»Lieber nicht. Du weißt doch, er kann Turnschuhe nicht ausstehen.«
So ein Tourenplaner ist eine feine Sache. Man hat einen Zettel vor sich, auf dem ganz genau steht, wann man wo nach wie vielen Kilometern auf welche Autobahn wechseln muss, und wenn man dann doch auf der falschen ist, weiß man erst einmal nicht, warum. Bis man dahinter gekommen ist, dass nach einem Wechsel nicht etwa eine der größeren Städte angegeben ist wie Bochum oder Köln, sondern lediglich die nächste Ausfahrt, ist man schon dreißig Kilometer weit in die falsche Richtung gefahren. Wer kann denn etwas mit von A 45 auf A 1 Richtung Holzen anfangen, wenn er nach Osnabrück will und keine Ahnung hat, dass die kommende Abfahrt Holzen heißt? Ich nicht! Und weil sich Steffi auf meine Angaben verlassen hatte, denn gleichzeitig fahren und Karten lesen geht nun mal nicht, und weil es in diesem Gewirr von Betonbrezeln keine Parkbucht zum Anhalten gab, geschah es, dass wir uns plötzlich nicht mehr auf der Autobahn befanden, sondern auf einer Bundesstraße in den Außenbezirken von Dortmund. Zu allem Überfluss war ein Gewitter aufgezogen, denn die ersten dicken Tropfen fielen, als Stefanie genau vor der Feuerwehrausfahrt stoppte (absolutes Halteverbot!), um das Verdeck zu schließen, und während wir im strömenden Regen bei miserabler Sicht durch unbekannte, menschenleere Straßen krochen auf der Suche nach einem neuen Autobahnzubringer, rückte der Uhrzeiger unerbittlich vor.
»Den Zentralfriedhof von Dortmund habe ich schon immer mal sehen wollen«, knurrte sie, nach links zeigend, »wenn wir nicht bald hier rauskommen, lass ich mich da begraben.«
»Er ist ziemlich groß«, sagte ich nur, »meinst du wirklich, du findest den Eingang?«
Es muss ein Zufall gewesen sein, dass der erste Mensch, den wir überholten, weder ein frisch importierter Ausländer war noch ein Besucher, es war auch kein Nur-Fußgänger ohne Führerschein (die schicken Autofahrer nämlich häufig und in bester Absicht zu einer Einbahnstraße, die aber nur andersherum befahren werden kann, oder dorthin, wo das Kopfsteinpflaster schließlich vor einem kleinen Park endet), sondern ein ganz normaler Einwohner dieser Stadt, mit dem wir uns problemlos verständigen konnten? Ihm war es zu verdanken, dass wir wenig später tatsächlich wieder die Autobahn unter den Rädern hatten. Da war es sieben Minuten vor vier.
»Anreise zwischen sechzehn und achtzehn Uhr«, sagte Steffi, »also sind wir selbst dann noch pünktlich, wenn wir erst in zwei Stunden eintreffen. Alles klar?«
Natürlich. Es ging ja auch ganz zügig voran, bis wir in den ersten Sonntagsfamilienausflugsrückfahrtstau gerieten, und als der sich aufgelöst hatte, begannen schon die kürzeren, aber immer häufiger auftretenden
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