Menschenskinder
die Nase. »Hast du dir die mal genau angesehen? Eine Woche kostet zweieinhalbtausend Mark, und dafür kriegst du eine Dachkammer mit Einzelzimmer-Zuschlag und Blick ins Grüne, tausend Kalorien pro Tag sowie eine kosmetische Grundbehandlung einschließlich Typenberatung. Alles andere von Massagen bis zu Yoga kostet extra! Und das nicht zu knapp! Bin ich Bill Gates?«
»Na ja, die hier sind wirklich ein bisschen sehr teuer«, musste sie zugeben, »wahrscheinlich haben sie so eine Art Chiemsee-Aufschlag, aber es gibt auch preiswertere Häuser in weniger elitären Gegenden.« Sie knüllte den Prospekt zusammen und warf ihn in den Papierkorb. »Ich glaube sowieso nicht, dass dir Yoga gefallen würde.«
Damit war das Thema abgehakt. Zumindest hatte ich das geglaubt. Bis Weihnachten. Dann nämlich hatte ich unter der schon heftig nadelnden Tanne einen Gutschein für eine Woche Haus Heide gefunden, beginnend am 19. Juli kommenden Jahres. Ein Prospekt war beigefügt. Danach lag Haus Heide nicht etwa bei Lüneburg, wo man es logischerweise vermuten sollte, sondern am Teutoburger Wald. Und dem war ich nie auch nur in die Nähe gekommen. »Was soll ich denn da?«
»Na, Beauty und Wellness genießen«, hatte Katja gesagt, »steht doch alles da.«
»Ich werde mir Mühe geben«, versprach ich, doch sehr überzeugend hatte das wohl nicht geklungen.
»Da dir im Laufe von sechs Monaten bestimmt eine Ausrede einfallen würde, weshalb du den Gutschein nicht einlösen kannst, werde ich mich aufopfern und dich begleiten«, hatte Steffi grinsend gesagt und dabei gar nicht entsagungsvoll ausgesehen, »kneifen ist also nicht!«
»Nur begleiten oder mitmachen?«
»Glaubst du etwa, ich sehe bloß zu, wie du dich täglich verjüngst? Erst vorgestern hat mir Hannes zwei graue Haare ausgerupft!«
Ob es nun an der langen Zeitspanne gelegen hatte oder an den diversen Festlichkeiten einschließlich des Abstechers nach Paris, kann ich wirklich nicht sagen, vielleicht waren es ja auch meine unterschwelligen Zweifel gegenüber Schönheitsfarmen gewesen, jedenfalls hatte ich diese WellnessWoche total vergessen und fiel aus den bekannten Wolken, als Steffi mir telefonisch mitteilte, dass wir mit mindestens vier Stunden Fahrt rechnen müssten.
»Wohin?«
»Na, in dieses komische Nest am Teutoburger Wald.« Pause. »Hallo, bist du noch dran?«
Natürlich war ich noch dran, nur hatte es mir, was selten geschieht, regelrecht die Sprache verschlagen. »Äh … ja … hm … du meinst doch bestimmt diese Erholungswoche, nicht wahr?«
»Ob es eine reine Erholung sein wird, bleibt abzuwarten, aber wenigstens reden wir jetzt über dieselbe Sache. Oder hattest du dein Weihnachtsgeschenk etwa vergessen?
»Natürlich nicht«, beteuerte ich sofort, »ich weiß nur im Augenblick den genauen Termin nicht mehr, aber er muss doch demnächst sein, nicht wahr?«
»Ja, übermorgen!«
»Da ist doch Sonntag!«
»Eben drum! Sonntag ist Anreisetag.«
Das hätte mir wirklich jemand früher sagen können! Wie sollte ich jetzt noch auf die Schnelle für meinen schon wieder sich selbst überlassenen Ehemann siebenmal Essen zaubern und einfrieren? Ob ich in dem Restaurant vorne an der Kreuzung einfach ein Abonnement für sieben Tage Mittagstisch nehme? Nein, geht nur für sechs, samstags haben die Ruhetag. Das Essen soll aber sehr gut sein, und fünf Minuten Fußweg sind nun wirklich zu verkraften.
Notfalls gibt es auch noch den neuen Italiener, der liefert sogar ins Haus. Neulich die Pizzas für Tom und Katja waren wirklich gut gewesen, von meinem Risotto gar nicht zu reden, kriege ich selber nie so hin, und sogar Rolf haben seine Gnocchi geschmeckt. Nur die Flasche Lambrusco, die es je nach Höhe der Rechnung gratis dazu gibt, kann man vergessen; der Wein erinnert sehr stark an Himbeersaft. Kindern sollte man ihn trotzdem nicht geben, ein bisschen Alkohol ist drin geblieben.
Telefonische Rücksprache mit Nicki. »Könntest du eventuell deinen Vater übermorgen zum Essen einladen? Ich bin dann nämlich auf dem Weg zum Teutoburger Wald.
»Ist doch längst abgesprochen, das kriegen wir schon auf die Reihe. Außerdem hat er gesagt, dass er sich mal wieder selbst an den Herd stellen und das kochen will, was du nie machst.«
»Ja, ich weiß auch schon, was das ist! Saure Kutteln zum Beispiel oder gelbe Erbsensuppe mit Schweinepfötchen drin.«
»Iiiihhh!«, kam es durch den Hörer. »Kann man die denn essen?«
»Früher konnte man das, nur habe ich keine Ahnung,
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