Menschenskinder
ob sie überhaupt noch verkauft werden. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal beim Metzger welche gesehen habe.«
Da Nicki angeblich nicht wusste, wie Schweinepfoten ohne Schwein dran aussehen, das letzte lebende hatte sie im Alter von elf Jahren bei Bettinas Oma auf dem Bauernhof gesehen, konnte sie mir auch nicht sagen, ob ihr Metzger ›so was Ekliges‹ verkauft. Sie glaube es aber nicht. (Wir haben nämlich verschiedene Metzger, weil sie am entgegengesetzten Ende unseres Städtchens wohnt.)
Dass Rolf selber kochen wollte, hielt ich für eine ausgezeichnete Idee, die er hoffentlich verwirklichen und dann zu seinem wieder erwachten Hobby erklären würde. Er hatte das mal wirklich gut gekonnt, denn bei ihm hatte ich überhaupt erst die Grundbegriffe der Kochkunst gelernt, doch irgendwann hatte er damit aufgehört; ich glaube, das ist damals gewesen, als die Zwillinge über das Alete-Alter hinaus gewesen waren und mit am Tisch aßen. »Anfangs habe ich für uns beide höchstens drei Kartoffeln geschält, im Laufe der Jahre wurden es immer ein paar mehr, und jetzt geht jedes Mal eine Fünf-Pfund-Tüte drauf. Ab sofort gibt’s Nudeln!«
Leider war er auch sehr schnell dahinter gekommen, dass nicht nur mehr Kartoffeln gebraucht wurden, sondern auch mehr Zwiebeln, mehr Bohnen, mehr Paprika … und statt einer Hand voll Karotten waren es mindestens anderthalb Kilo, die jetzt geschält und geschnippelt werden mussten. »Nun ist mir auch klar, weshalb es bei Werremanns außer der Köchin noch ein Küchenmädchen gegeben hatte. Damals habe ich das nie verstanden, weil eine Köchin doch bloß kochen muss, und das kann ja nicht den ganzen Tag dauern. Hatte ich wirklich mal geglaubt!«
Wulf-Dietrich Werremann war Rolfs Schulfreund gewesen, sein Vater Diplomat mit offenbar höheren Weihen, denn er hatte oft Gäste zu bewirten gehabt, und deshalb wurde die Köchin auch vom Staat bezahlt. Das Küchenmädchen aber nicht.
Nach dem Abitur hatten die beiden Freunde noch eine Zeit lang Kontakt gehalten, aber nach drei Semestern Studium der Wirtschaftswissenschaften hatte ›Wuddi‹ auf eine diplomatische Karriere verzichtet und die Bedienung von der Milchbar gegenüber der Uni geheiratet. Wenig später waren sie nach Texas ausgewandert, um Farmer zu werden und Rinder zu züchten, was ihnen auch gelungen sein soll. Dass Papa Werremann seit dem Tag von Wuddis Hochzeit nie wieder Milch getrunken hat, halte ich allerdings für ein Gerücht. Nachdem Rolfs Ernährung geklärt war, konnte ich mich der nächsten Frage widmen: Was trägt man auf einer Beautyfarm beziehungsweise was braucht man nicht? Im Prospekt stand, dass man eigentlich gar nichts braucht, denn man läuft tagsüber im Bademantel herum, und den kriegt man gestellt. Na, ich weiß ja nicht … Also ans Telefon. »Steffi, hast du schon den Koffer gepackt?«
»Warum denn, wir fahren erst übermorgen! Außerdem reicht mir eine Tasche, wir sollen doch gar nicht so viel mitnehmen.«
»Glaubst du wirklich, dass wir den ganzen Tag im Bademantel rumlaufen? Ich kann mir das einfach nicht vorstellen.«
»Ich auch nicht, aber wenn’s doch da steht …«
»Papier ist bekanntlich geduldig. Ich nehme auf jeden Fall zwei Jogginganzüge mit, einen für drinnen und einen für draußen, und dann noch was ganz Normales, wenn man mal vor die Tür will. Oder meinst du, wir werden kaserniert, und am Tor steht so ein Zerberus, der die Urlaubescheine kontrolliert.«
Sie kicherte. »Blödsinn! Wir gehen freiwillig da hin, zahlen einen Haufen Geld, und wenn ich abends mal raus will, wird mich keiner daran hindern. Abgesehen davon, dass ich wahrscheinlich gar nicht will. Wir werden von den ganzen Schönheitsprozeduren so k.o. sein, dass wir gleich nach dem Abendessen ins Bett fallen.«
»Dann nimm dir wenigstens was zu lesen mit! Und vergiss den Badeanzug nicht! Laut Prospekt hat das Heidehaus einen Pool, schon wegen der morgendlichen Wassergymnastik.
»Was denn, etwa noch vor dem Frühstück?«
»Morgengymnastik ist immer vor dem Frühstück!«
Anreise zwischen 16 und 18 Uhr, hatte es geheißen, Abendessen gegen halb sieben, um Pünktlichkeit wird gebeten. Vier Stunden, neun Minuten hatte der Computer errechnet und die genaue Fahrtroute ausgespuckt: Autobahn bis fast vor die Haustür, nur hinter Frankfurt ein paar Mal Richtungswechsel, also alles sehr übersichtlich und bequem. Wenn wir gegen elf Uhr losfahren, brauchen wir nicht zu rasen und haben
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