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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Ihnen ein warmer Typ ist und wer ein kalter.«
    »Müssen wir uns dazu ausziehen, oder geht das auch ohne oben ohne?« Lilo natürlich, wer sonst?
    Selbstverständlich brauche sich niemand zu entkleiden, sagte das Pferd und bat die erste Dame nach vorn. Niemand wollte. »Dann machen Sie doch den Anfang, Frau Harmsen! Nur zur Demonstration, Sie wissen ja ohnehin schon, zu welchem Typ Frau Sie gehören.«
    »Zu dem mit Haaren auf den Zähnen natürlich!«, wisperte Conny, als sich Tantchen erhob und zu dem spinnenbeinigen Sessel schritt. »An Roswithas Stelle hätte ich sie schon längst den Haien vorgeworfen.«
    »Vielleicht hätte sie’s sogar getan, wenn es in der Nordsee welche gäbe«, flüsterte Steffi zurück.
    Frau Harmsen bekam ein Handtuch über ihren Dutt und zwei Meter Goldlama um den Oberkörper gewickelt, wir sagten erwartungsgemäß »oohh« oder »sieht toll aus!«, dann entfernte das Pferd die goldene Stoffbahn und drapierte eine silberne.
    »Davon ein Abendkleid, bodenlang und ganz eng!« Einen sehnsuchtsvollen Blick warf Lilo auf den schimmernden Stoff, wohl wissend, dass ganz eng für sie nicht mehr in Frage kam. »Früher hatte ich auch mal eine 40er Figur, aber mein Mann hält’s mehr mit den vier M«, hatte sie mir gleich am ersten Abend erzählt, »da habe ich mich eben angepasst.«
    Die vier M kannte ich von früher, als nämlich in der EG die Milchschwemme begann und man den sinkenden Verbrauch mit der Behauptung ankurbeln wollte, Milch mache Männer munter. Inwieweit das stimmt, weiß ich nicht, Rolf trinkt keine, er akzeptiert Milch nur in fester Form als Pudding und Eiscreme, aber was diese vier M mit Lilos nicht mehr so ganz schlanker Taille zu tun hatten, konnte ich mir nicht erklären. Also Rückfrage: »Was sind denn die vier M?«
    »Ist doch ganz einfach: Manche Männer mögen’s mollig.«
    Na bitte! Zufriedenheit auf beiden Seiten, was spielen da ein paar Kilo mehr auf der Waage für eine Rolle? Und überhaupt: Wann hat Durchschnittsfrau denn schon mal die Möglichkeit, ein hautenges bodenlanges Abendkleid zu tragen?
    Tantchen thronte immer noch goldverbrämt, doch offensichtlich zweifelnd auf ihrem Sessel, obwohl wir einstimmig entschieden hatten, dass Silber nicht zu ihr passte. »Das ist auch ganz natürlich«, sagte das Pferd, »Frau Harmsen ist ein warmer Typ.«
    Wie bitte? Unter dieser Bezeichnung hatte ich bis dato etwas ganz anderes verstanden, Männer also, die gar keine richtigen sind (Omis lapidare Erklärung, als ich sie mit etwa zehn Jahren fragte, was denn Schwulsein bedeute; in den Vierzigern hat’s nämlich noch keine Bravo gegeben!).
    Conny beugte sich wieder zu mir herüber. »Verstehe ich nicht, wie kann sie ein warmer Typ sein, wenn doch alle Fische Kaltblütler sind?«
    »Sie ist ja kein Fisch«, flüsterte ich zurück, »sie sieht bloß so aus. Denk mal an einen schönen fetten Bückling mit seinen goldfarbenen Schuppen …«
    Danach war die Nichte dran. Silber kam nicht in Frage, Gold eigentlich auch nicht, sah aber immer noch besser aus, also auch ein warmer Typ, die nächste Dame bitte …
    Das gesamte Unterhaus fand sich selber goldig und hatte Recht. Nur Püppi war damit nicht einverstanden. »Ich liebe kalte Farben«, trumpfte sie auf, »und würde nie etwas Goldenes anziehen.«
    Das Pferd schüttelte den Kopf und deutete auf Püppis Hosenanzug. »Das müssen Sie auch nicht«, wieherte – nein, sagte es, »aber Sie sollten kein reines Weiß tragen, sondern ein gebrochenes, und …«
    »Ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, was ich anzuziehen habe!«
    »Das tu ich doch gar nicht, ich wollte nur …«
    »Über Geschmack lässt sich nicht streiten, entweder man hat ihn, oder man hat ihn nicht!«, trumpfte Püppi auf und ließ keinen Zweifel daran, zu welcher Kategorie sie sich zählte.
    Bevor sich die beiden Kontrahentinnen nicht nur verbal in die Haare gerieten, sprang Conny in die Bresche. »Jetzt bin ich neugierig geworden.« Sie setzte sich vor den Spiegel. »Ich friere immer so schnell, also müsste ich doch schon deshalb ein warmer Typ sein, nicht wahr?«
    »Unsinn«, widersprach Moni, »frieren tust du, weil du viel zu dünn bist, aber dass du die falschen Farben trägst, habe ich dir schon oft genug gesagt. Dieses orangefarbene Sweatshirt zum Beispiel …«
    Es verschwand gerade unter dem Goldlame. »Bitte nicht so hoch am Hals, Rollkragen steht mir nämlich nicht.« Zweifelnd betrachtete Conny ihr Spiegelbild. »Ich weiß gar nicht, woher

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