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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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aus sich machen, und nur, wenn sie von dieser Schönheitsfarm käme, sei es eine Zeit lang mit ihr auszuhalten. Alles andere hat mir Marianne erzählt, die immer meine Wickel macht. Sie hat Tante und Nichte schon zweimal hier erlebt und kennt sogar Roswithas Mann. Muss wohl ein ziemliches Ekel sein.«
    »Eine Fischfabrik wiegt vieles auf«, meinte Conny, »und weil wir ja alle kommunikationsfreudige Menschen sind, schlage ich vor, zwei oder drei von uns setzen sich heute jeweils an einen Tisch von den Unterhäuslern. Ich gehe freiwillig zu Roswitha!«
    »Hast du überhaupt dein kleines Schwarzes mit?«, sorgte sich Moni. »Natürlich nicht, aber ich werde meinen Bademantel mit Renates silbernem Gürtel schließen.«
    Das hat sie dann doch nicht getan, denn er hätte nicht zu ihrem sehr individuellen Make-up gepasst. Conny hatte nämlich ein kleines Hautproblem, das sich gelegentlich zu einem etwas größeren entwickelte, je nachdem, ob die Pusteln in ihrem Gesicht von allein wieder verschwanden oder sich vermehrten. »Ich bin eben aus der Pubertät nie rausgekommen, das hält mir meine Mutter seit fünfzehn Jahren vor. Nicht wegen der Pickel, sondern weil ich am liebsten Pommes mit Ketchup esse und mich immer noch für ABBA begeistern kann.«
    Nun waren die weiß bekittelten Fachfrauen in den unteren Räumen des Heidehauses auch in der Behandlung von Akne geschult, denn nicht umsonst wurden im Hausprospekt die speziell in die Ferien gelegten Beauty-Wochen für Jugendliche angepriesen. Als besonders hilfreich erwies sich eine weiße Creme, die auf jeden einzelnen Pickel getupft wurde, wo sie wenig später zu einer harten Masse erstarrte. Die in ihrer Konsistenz an Rauputz erinnernde Paste musste zwei Stunden auf dem Gesicht bleiben und verlieh ihrer Trägerin – je nach Anzahl der weißen Pünktchen – das Aussehen eines noch jungen oder doch schon recht überalterten Fliegenpilzes. Da diese Prozedur jeden Tag wiederholt werden musste, schlossen wir eine Wette über die Höchstzahl der zu erwartenden Pickel-Paste-Punkte ab. Jede von uns musste die geschätzte Zahl auf einen Zettel schreiben und in einen Umschlag stecken, den Gisela in Verwahrung nahm. Wer am weitesten drunter oder drüber liegen würde, musste am letzten Abend eine Flasche Sekt spendieren. Die tägliche Zählung fand natürlich in Anwesenheit sämtlicher Bewohner des Oberhauses statt.
    Nur der Vollständigkeit halber: Gewonnen hatte Moni, die mit ihren geschätzten 36 Tupfern nur um zwei danebengelegen hatte, während Lilo voll eingefahren war. Sie hatte 51 PPPs notiert, dabei waren es zur Hauptblütezeit am vierten Tag doch nur 38 gewesen. Da Conny sich freiwillig gemeldet hatte, musste nur noch die zweite Teilnehmerin für das kurzzeitige Exil ausgelost werden. Es traf Renate. »Auch gut, dann habe ich es wenigstens hinter mir.«
    »Auf welchem Gebiet bist du bewanderter, Conny«, stichelte Steffi auf dem Weg nach unten, »Fischfang oder Hundezucht?«
    »Als drittes Thema käme noch ›Wandel der Mode durch die Jahrzehnte‹ oder so ähnlich in Frage«, schlug Renate vor, »Tantchen ist nämlich in den frühen Sechzigern stehen geblieben, und Roswitha trägt anscheinend die Kleider ihrer Mutter auf.«
    »Ich glaube, mein ungewöhnliches Make-up wird genug Gesprächsstoff liefern«, winkte Conny ab, »schließlich hat mich das Unterhaus in diesem Aufzug noch nie gesehen.«
    Das war richtig. Meistens bekam sie ihre Pickelpaste am frühen Nachmittag aufgetragen, so dass bis zum Abendessen alle Spuren wieder beseitigt waren, nur hatte das heute zeitlich nicht geklappt. Als Abendessen gab es diesmal ein hauchdünnes Putenschnitzel, verborgen unter einem bunten Gemüsebeet, dazu wahlweise Mineralwasser oder roten Tee, deklariert als Johannisbeer/Kirsche. In den Vasen farblich abgestimmte Wickensträuße – alles sehr hübsch, sehr schmackhaft und bis auf die Blumen bestimmt auch sehr gesund. Während wir betont langsam aßen, weil sich erst dann – angeblich! – viel früher das Sättigungsgefühl einstellt, warfen wir immer wieder einen Blick hinüber zu unseren unfreiwillig Abtrünnigen. Im Gegensatz zu Conny, die Tantchen und Roswitha sogar mehrmals ein Lachen entlocken konnte, hatte Renate offenbar den falschen Tisch erwischt. Ihr Gegenüber waren die weißblonde Barbie-Puppe und jene dunkelhaarige, in sich gekehrte Frau, die kaum mal mit jemandem ein Wort wechselte. Sie war uns nur deshalb aufgefallen, weil sie ständig ihren Walkman in der

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