Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
weiß, in welcher Richtung man suchen muss, anderenfalls wird’s schwierig. Nach der zweiten vergeblichen Umrundung aller Counter mit den uns namentlich bekannten Airlines kamen wir zu dem Schluss, dass Pauschalreisen doch gewisse Vorteile haben. Man stellt sich zwei Stunden vor dem Start einfach dort an, wo sich gerade eine Warteschlange bildet, und kann sicher sein, dass man richtig steht, doch was macht man, wenn keine Schlange da ist? Um zehn Uhr abends sind die meisten Ferienflieger nämlich weg. Außerdem flogen wir diesmal Linie, da checken die Passagiere sowieso nur tröpfchenweise ein.
    »Ein Glück, dass wir uns doch gegen die Abenteuerreise durch Costa Rica entschieden haben«, sagte Steffi, ihre rutschende Kosmetiktasche wieder auf die Spitze des Gepäckberges schiebend, »wenn wir hier nicht mal unser Flugzeug finden können, hätten wir im Dschungelcamp nicht die geringste Überlebenschance gehabt.«
    »Doch, weil wir das nämlich auch gar nicht erst gefunden hätten! – Was haltet ihr davon, wenn wir mal jemanden fragen?« Langsam wurde mir dieses ziellose Herumsuchen zu albern.
    »Wen denn?«
    Sie hatte Recht. Die meisten Schalter waren bereits geschlossen, von den sonst sehr zahlreich vertretenen Ordnungshütern war kein einziger zu sehen (vielleicht hatten ihre Hunde gerade Abendbrotzeit), das junge Mädchen am Zeitungsstand konnte uns nicht helfen, und der schnauzbärtige Mensch in seinem Bonbonladen wollte nicht. Er hatte nämlich Feierabend, was er durch demonstratives Abschließen der Tür und mehrmaliges Rütteln an der Klinke demonstrierte. Lediglich die Besenbrigade war recht zahlreich vertreten, nur bestand sie überwiegend aus Vertretern ferner Länder, und wenn man weder Vietnamesisch spricht noch Türkisch oder Arabisch, ergeben sich zwangsläufig Verständigungsschwierigkeiten. Und der einzige deutsch sprechende Mann schickte uns in die falsche Richtung.
    Allmählich wurde die Zeit knapp, und hätte Hannes nicht jenes bewusste Örtchen mit dem kleinen blauen Männchen an der Tür aufsuchen müssen und auf dem Weg dahin zufällig den wirklich sehr versteckt liegenden Counter entdeckt, hätten wir unseren Flieger vermutlich verpasst.
    Dafür ging jetzt alles sehr schnell. Man hatte bereits auf uns gewartet, wir bekamen die Bordkarten und wurden gebeten, uns unverzüglich zum Abflugsteig zu begeben. Die endlose Strecke zum Gate legten wir erst in gemäßigtem Marschtempo zurück, steigerten uns dann zu leichtem Jogging und gingen auf den letzten Metern, als schon die Tür zum Warteraum geschlossen wurde, in den Endspurt über. Dass ich mit weitem Abstand als Letzte durchs Ziel ging, wird wohl niemanden überraschen; dass ich es überhaupt geschafft habe, betrachte ich im Nachhinein als Wunder. Meinen letzten Sprint hatte ich vor ungefähr fünf Jahren zurückgelegt, als mich ein Ziegenbock auf die Hörner nehmen wollte und trotz hervorgekeuchter Zurufe wie »Liebes Tier, braves Tier, geh schnell wieder nach Hause, ja?« nicht davon abzubringen gewesen war. Damals hatte er mich nicht erwischt, heute würde er’s!
    Als Letzte in ein vollbesetztes Flugzeug zu steigen, ist nicht empfehlenswert. Man wird von den bereits angeschnallt dasitzenden Passagieren missbilligend gemustert in der irrigen Annahme, ohne das vermeintliche Zuspätkommen wäre der Flieger längst oben, und hat man endlich seinen Platz gefunden, muss man seinen Nachbarn erst dazu bewegen, Zeitung, Brille und Laptop doch bitte wegzuräumen, was er nur sehr ungern tut. »Ich dachte, der Platz bleibt frei.«
    Die Kofferklappen sind schon alle geschlossen, ein nochmaliges Öffnen kann man sich sparen, weil sowieso nichts mehr reingeht. Also stellt man seine viel zu große Tasche vor den Sitz, dann haben zwar die Füße keinen Platz mehr und die Stewardess ist damit auch nicht so richtig einverstanden, aber sie muss sich jetzt selber anschnallen, weil die Maschine losrollt.
    Ich hatte den undankbaren Mittelplatz erwischt also den mittleren in der Dreierreihe, Schicksal aller vermeintlichen Singles. Parallel dazu richteten sich Steffi und Hannes ein, nur trennte uns ein Zweimetermann, der schon jetzt seine Beine in den Gang schob und bestimmt nicht gewillt sein würde, den Platz mit mir zu tauschen. Rechts von mir saß das genaue Gegenteil, nämlich ein kleines, schmales Männlein„ das unverkennbar dem fernöstlichen Kulturkreis angehörte und während des ganzen Fluges damit beschäftigt war, sich systematisch volllaufen zu

Weitere Kostenlose Bücher