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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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internationalen Bibliothek führte; sogar Holländisch war vertreten und Japanisch. Vielleicht war’s auch Chinesisch, ich beherrsche beide Sprachen ja nicht einmal optisch! Leider haben wir diesen Raum erst am vorletzten Tag entdeckt, denn die Glühbirne an der Treppe war kaputt, und da offenbar keiner der Gäste vom Vorhandensein der literarischen Schatzkammer etwas wusste, hatte auch niemand die fehlende Beleuchtung reklamiert.
    Ob er mal telefonieren könne, wollte Hannes wissen, nachdem der Papierkrieg erledigt war, oder ob er das lieber vom Zimmer aus tun solle.
    Das sei leider nicht möglich, es gebe nämlich keine Telefonverbindung zum Festland, nein, Fax natürlich auch nicht, man sei auf Funkkontakt angewiesen.
    »Wie bitte???«
Hannes hatte zwar auf Deutsch gestaunt, aber seine entgeisterte Miene hatte die bildhübsche Filipina hinterm Tresen trotzdem richtig gedeutet. Das sei alles kein Problem, versicherte sie, der Herr möge die Telefonnummer und den zu übermittelnden Text aufschreiben, er werde dann an die Agentur in Manila gefunkt und von dort nach Deutschland weitergeleitet. (Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass zum damaligen Zeitpunkt das Handy zwar schon erfunden war, aber noch nicht neben Geldbeutel und Autoschlüssel zum Accessoire jedes vermeintlich modernen Zeitgenossen gehörte. Es galt ganz allgemein als nette Spielerei, die jedoch erstens selten problemlos funktionierte und zweitens ziemlich teuer war. Auf jener Insel gab es jedenfalls kein Handy, was ich im Nachhinein auch als Komfort bezeichnen möchte. Nie hat irgendwo mal eins gebimmelt!)
    Herr Hannes staunte immer noch, meinte jedoch, so eilig sei es mit dem Telefonat nun auch wieder nicht, griff zu unseren Schlüsseln und nickte dem wartenden Boy zu, der geduldig an der hinteren Tür stand, in jeder Hand eine unserer kleinen Bordtaschen. Er setzte sich in Bewegung, und wir trabten im Gänsemarsch hinterher. Der ohnehin nicht sehr breite Weg verengte sich nämlich immer wieder mal, und das Schild an den zwei Palmen direkt neben dem Pfad forderte auch zu einem unplanmäßigen Seitensprung heraus. »Take care of falling coconuts« stand drauf.
    »Die Wahrscheinlichkeit, eins von diesen Dingern auf den Kopf zu kriegen, dürfte zwar gering sein«, meinte Steffi, die Entfernung zwischen den unterm Wipfel hängenden Nüssen und dem Boden abschätzend, »aber falls doch, dann würde sich die Hotelleitung wohl um einen Zinksarg zur Überführung der sterblichen Überreste ihres Gastes kümmern müssen.«
    »Es ergäbe zumindest mal einen originellen Text für die Todesanzeige«, überlegte ich laut. »Unerwartet und fern der Heimat starb durch eine herabstürzende Kokosnuss …«
    »Hör auf mit dem Blödsinn!«
    Wir erklommen gerade einen kleinen Hügel und hatten noch immer nichts gefunden, was einem Bungalow ähnlich sah. An einem lang gezogenen einstöckigen Betonkasten waren wir vorbeigekommen, Unterkünfte für die Angestellten, daneben der einen höllischen Krach verursachende Generator, in dessen unmittelbarer Nähe man sein eigenes Wort nicht verstand, doch als sich der Weg wieder senkte, sahen wir sie, die verstreut liegenden Häuschen mit Terrassen vorne dran und immer genügendem Abstand zum Nachbarn. Knapp zwei Dutzend Bungalows waren es, die sich auf dem flachen Abhang oder auch direkt am Meer verteilten, und längst nicht alle waren belegt, wie uns unser Begleiter erklärte. Die meisten Gäste würden lieber die Bungalows auf der anderen Seite nehmen, die lägen parallel zum Strand und auch näher zum Pool und zur Bar.
    »Vielleicht hätten wir doch nicht auf einer Unterkunft möglichst abseits der Hauptgebäude bestehen sollen.« Ich dachte an den eben zurückgelegten Weg einschließlich des Hügels, das war doch eine Strecke von mindestens … wenn nicht noch mehr! »Was ist, wenn einer mal das Sandflohspray vergisst, die Ersatzbatterien für den Walkman oder die Zigaretten?«
    »Wir werden ja nicht alle drei genau die gleichen Sachen im Zimmer liegen lassen«, gab Hannes zurück. »Außerdem gibt’s Zigaretten auch an der Bar.«
    »Aber keine Batterien.«
    »Dann mach dir eine Checkliste, die gehst du jeden Morgen durch.«
    Erst hatte ich darüber gegrinst, doch nachdem ich zweimal vom Strand zurückgetrabt war, weil ich mein Buch auf dem Nachttisch hatte liegen lassen, schrieb ich tatsächlich so eine Art Inhaltsverzeichnis, und wenn ich morgens meine Strandtasche packte, hakte ich gewissenhaft jeden

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