Menschenskinder
denn geschafft haben?«
»Na, dass wenigschtens eins von Ihre Mädle heiert.
»Das hat sie ganz allein hingekriegt! Außerdem ist sie die zweite, Stefanie hat schon vor drei Jahren geheiratet.
»Des wohl scho, aber net hier.«
Was so viel bedeutete wie: Uns kannst du viel erzählen, wir haben’s ja nicht gesehen. Und wieso hat sie nicht hier geheiratet, wo sie aufgewachsen ist?
Diesmal würde die ganze Sache hoffentlich zur allgemeinen Zufriedenheit ablaufen. Oder doch nicht? Denn auch dieses Brautpaar wünschte nur eine standesamtliche Trauung, was Rolf auf der einen Seite sehr vernünftig fand – kommt ja billiger! –, ihm andererseits aber wieder nicht die Möglichkeit gab, seine in eine weiße Wolke gehüllte Tochter zum Altar zu führen. (Vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit mal erwähnen, dass sich mein angeblich gegen Sentiments gefeiter Ehemann den amerikanischen Rührschinken ›Vater der Braut‹ mindestens ein halbes Dutzend Mal im Fernsehen angesehen und dann auch immer Spencer Tracy um seinen maßgeschneiderten Cutaway beneidet hat. Und natürlich um das nicht gerade vom Sozialen Wohnungsbau erstellte Eigenheim, in dem problemlos die 60 bis 90 Gäste Platz gefunden hatten, ohne sich gegenseitig mit den Bleistiftabsätzen auf die Zehen zu treten.)
»Hast du schon mal einen amerikanischen Film gesehen, in dem das Brautpaar nicht in der Kirche geheiratet hat?«
Ich brauchte gar nicht lange zu überlegen. »Ja, das war der, wo Grace Kelly diesen Schönling heiraten wollte und drei Minuten vor Schluss dann doch lieber Bing Crosby nahm, weil der am Swimming-Pool so herzerweichend gesungen hatte. Die hatten eine Haustrauung.«
»Warum gibt es so was nicht bei uns?«
Berechtigte Frage, jedoch relativ leicht zu beantworten: »Vielleicht liegt es daran, dass sich Etagenwohnungen nicht besonders gut dazu eignen und in Reihenhäusern die Treppen selten breit genug sind, um der Braut ein majestätisches Herabschreiten zu ermöglichen. Bei uns müsste sie sich sogar abwärtswendeln.«
»Sie müsste was?«
»Oder sollte es dir im Laufe von 21 Jahren nicht aufgefallen sein, dass die Treppe in diesem Haus eine halbe Wendeltreppe ist?« Die übrigens jedes unserer fünf Kinder mindestens einmal runtergefallen war, zum Glück ohne nennenswerten Blessuren, was in Sascha ja auch vorübergehend den Wunsch geweckt hatte, Stuntman zu werden.
Mit der Haustrauung würde es also nichts werden, Standesbeamte pflegen nicht in Privathäusern ihres Amtes zu walten, und überhaupt heiratet man hierorts im frisch renovierten Wasserschloss, das mit seinem alten Gemäuer sowieso eine viel schönere Kulisse abgibt. Fotografiert wird anschließend im Park, wo der See und die ihn umgebenden alten Bäume einen dekorativen Hintergrund bilden. Wenn man Glück hat, spritzt gerade die Fontäne, und wenn man ganz viel Glück hat, kriegt man noch ein paar Enten mit aufs Foto, die machen sich immer so niedlich, wenn sie um das Brautpaar herum- und gelegentlich auch über die Schleppe watscheln.
»Hast du etwas dagegen, wenn ich meinen mitternachtsblauen Anzug, den ich zu Saschas Hochzeit zum ersten und bisher auch einzigen Mal getragen habe, auch noch zu Nickis Hochzeit anziehe?«
»Nein«, sagte ich wütend, denn die vermeintlich überflüssige Anschaffung eben jenes Anzugs schmierte mir Rolf immer wieder mal aufs Butterbrot, »aber du solltest den Ankauf einer neuen Krawatte in Erwägung ziehen! Die Überreste des gräflichen Hummerparfaits sind auch in der Reinigung nicht rausgegangen.«
Bevor unsere Debatte wieder damit enden würde, dass Rolf mit den angeblich verbrieften Worten eines der sächsischen Augusts – ich weiß nicht mehr, welcher von den Königen das gewesen ist- »… macht euch doch euern Dreck alleene!« das Zimmer türenschlagend verlassen würde, räumte ich lieber das Feld. Bis zum Juni waren noch drei Monate hin, also Zeit genug, um so wichtige Dinge zu klären wie: Wer wird eingeladen beziehungsweise wer muss nicht?
Wo soll die unerlässliche Abfütterung stattfinden?
Was ziehe ich an?
Und last but not least: Wie halten wir’s mit Nickis künftigen Schwiegereltern? Ist eine offizielle Einladung angebracht, und wenn ja, wozu lädt man? Die Amis laden immer zum Dinner ein, will ich aber nicht, vielleicht ist Frau B. eine exzellente Köchin, dann blamiere ich mich bloß. Dabei besitze ich doch seit Weihnachten das Kochbuch von Biolek. Steffi hat’s mir geschenkt mit dem Hinweis, die Rezepte seien
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