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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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ich von den Preisen dieser Schuhgattung nun wirklich keine Ahnung mehr hatte. Natürlich besitze ich auch so ein Paar Treter, die sind mindestens sechs Jahre alt, stehen irgendwo im Keller und zeichnen sich weder durch besondere Schönheit und erst recht nicht durch ein bestimmtes Label aus. Ich glaube, sie haben gar keins, aber sie sind bequem und haben mir gute Dienste geleistet, als ich noch, Otto hinter mir herzerrend, durch die heimischen Wälder traben musste. Seitdem der Dackel im Hundehimmel ist, haben sich meine sportlichen Aktivitäten auf ein Mindestmaß reduziert, und dazu brauche ich keine extra Schuhe. Das Gaspedal im Auto kann ich notfalls auch barfuß betätigen.
    Fast eine ganze Stunde Ruhe war mir vergönnt, dann hatten nicht nur Stefanie, sondern auch die Zwillinge ›spottbillige‹ Turnschuhe gefunden, die in Deutschland mindestens fünfzig Mark teurer und sowieso noch gar nicht zu haben wären, weil sie da erst viel später auf den Markt kämen. Trotzdem konnte ich mir nicht so recht vorstellen, dass irgendetwas in Paris billiger sein könnte als bei uns zu Hause.
    Wahrscheinlich gehören wir zu den wenigen Touristen, die den Louvre nur von außen beguckt und auf das originale Lächeln der Mona Lisa verzichtet haben; wir sind auch nicht in Versailles gewesen und nicht auf dem berühmten Friedhof Pere Lachaise, obwohl ich da gern hingewollt hätte, jedoch auf erbitterten Widerstand meiner Eskorte gestoßen war. (»Vermoderte Grabsteine kannst Du doch überall sehen!« Stimmt, ihr Hugh-Grant-und-Julia-Roberts-Fans, aber keine, unter denen Chopin, Oscar Wilde oder Maurice Chevalier begraben sind!!!) Stattdessen sind wir über den Vogelmarkt gebummelt, haben an der Seine entlang bei den Bukinisten nach Raritäten gestöbert und natürlich keine gefunden, haben im jüdischen Viertel höllisch scharfe Fleischbällchen gegessen und im Café de la Paix den teuersten Café creme meines Lebens getrunken, umgerechnet zehn Mark pro Tasse! Das kommt davon, wenn man einen alten Schlager aus den fünfziger Jahren im Ohr hat und vier Jahrzehnte später sentimental genug ist, den Wahrheitsgehalt jener Schnulze nachempfinden zu wollen. Davon habe ich den Mädchen natürlich nichts erzählt, als sie sich über die unbequemen Stühle beschwerten, den wackelnden Tisch und die grässliche Fülle. »Hier kriegt man ja Platzangst«, meinte Steffi nur, »und den Kaffee habe ich woanders auch schon besser getrunken.« Ich ebenfalls. Und das Mädchen, das dem Sänger des Liedes zufolge ›wie Honig so süß‹ gewesen war (na ja, was reimt sich denn schon auf ›Paris‹?), habe ich auch an keinem der Tische gesehen. Da saßen größtenteils Touristen, bloß waren die meisten viel zu jung, um sich an jenen Schmachtfetzen erinnern zu können. Weshalb also waren sie ausgerechnet in diesem teuren Schuppen eingekehrt?
    Von den Was?-Da-seid-ihr-nicht-gewesen?-Sehenswürdigkeiten fehlte uns eigentlich nur noch Montmartre, jenes Viertel, das jeder schon kennt, der einen Krimi von Georges Simenon gelesen oder wenigstens ›Ein Amerikaner in Paris‹ gesehen hat. Die Zwillinge hatten sowohl als auch und weigerten sich strikt, »… da oben rumzukriechen. Erstens ist es dort bestimmt noch voller als hier, weil die Straßen schmaler sind, und zweitens geht’s da immer bloß bergauf?«, behauptete Katja, die vorher noch nie in Paris gewesen war. Woher sie das wusste, kann ich nicht sagen, aber es stimmte!
    »Niemand zwingt euch mitzukommen. Was wollt ihr denn stattdessen tun?«
    »Schwimmen gehen!«, sagte Nicki sofort.
    »Du lieber Himmel, das können wir auch noch abends«, widersprach Steffi, »der Pool ist doch bis 22 Uhr geöffnet.«
    Erst heute hatten die Mädchen den in allen Fahrstühlen angebrachten Hinweis entdeckt, wonach unser Hotel über ein Schwimmbad verfügte. »Mir tun aber die Füße von der stundenlangen Latscherei jetzt schon weh«, jammerte Katja, »noch eine Kirche mehr können die nicht vertragen!«
    »Hast du eine Blase oder ich?« Seitdem Stefanie ihre neuen Turnschuhe trug, war davon keine Rede mehr gewesen. Bis jetzt.
    »Hast du einen Bänderriss im rechten Fuß gehabt oder ich?«, konterte Katja sofort. Rein sachlich gesehen hatte sie Recht, nur lag ihr Ausrutscher auf der Schultreppe schon eine Weile zurück, er hatte sich nämlich zwei Tage vor dem Tanzstunden-Abschlussball ereignet!
    Lediglich Nicki konnte nicht dagegenhalten, sie ist nämlich die einzige meiner fünf Nachkommen, die Kindheit und

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