Menschenskinder
erwarteten Geschäfte, nur unterschieden sie sich kaum von den Läden, die man auch in den Fußgängerzonen von München und Stuttgart findet (Douglas is everywhere!), und weiter unten fanden wir statt Dior und Kenzo rechts und links nur große Schatten spendende Bäume mit Bänken davor, sehr geruhsam, sehr dekorativ, aber keineswegs das, was wir uns vorgestellt hatten.
»Wenigstens haben wir jetzt mal in natura gesehen, wo die Tour de France immer endet«, sagte Katja, die sich noch nie für Radrennen interessiert hat, »man muss sich statt der Omas mit ihren pinkelnden Hunden bloß eine schreiende Menschenmenge vorstellen.«
Wenig später standen wir auf der Place de la Concorde und bewunderten den Obelisk. »Ist hier nicht der sechzehnte Ludwig geköpft worden?« Nachdenklich blickte Steffi an dem viereckigen Pfeiler empor.
»0 rühret, rühret nicht daran!« Aus einem der Zitatenfriedhöfe, die unsere Dichter in so reichhaltiger Menge hinterlassen haben, deklamierte Nicki mit viel Pathos diese Zeile, vermutlich zum Beweis dafür, dass doch noch ein bisschen was von der Schulzeit hängen geblieben ist. »Bei der Klausur über die französische Revolution bin ich doch so fürchterlich eingefahren! Erst habe ich sie ein Jahrzehnt zu früh stattfinden lassen, dann habe ich den falschen König auf die Guillotine geschickt, wer kann sich denn aber auch alle achtzehn merken, und schließlich habe ich ihm auch noch die Pompadour als Mätresse angehängt, obwohl die einen Louis früher dran gewesen ist.«
»Bei deinem gespaltenen Verhältnis zur Geschichte dieses Landes habe ich sowieso nie verstanden, weshalb du ausgerechnet Französisch als Leistungsfach genommen hast«, bemerkte Katja grinsend. »Ich wollte endlich mal die Speisekarten in deutschen Restaurants übersetzen können!«
Wir besichtigten weiter. Als Nächstes die zum Teil eingerüstete und grün verhängte Notre Dame, aber so was kannte ich ja schon aus Rom, da waren viele Sehenswürdigkeiten ebenfalls hinter Plastikplanen versteckt gewesen; muss ein Trick der Stadtverwaltungen sein, damit man noch mal wieder kommt, um alles das anzusehen, was man beim ersten Mal nicht ansehen konnte.
Dann die Brücken. Natürlich muss man mal über den Pont Neuf gegangen sein, ich weiß zwar nicht warum, aber es gehört dazu, doch nach der achten oder neunten Brücke habe ich gestreikt. »Was haltet ihr davon, wenn wir stattdessen unten durchfahren?«
Das wurde genehmigt, denn es bedeutete hinsetzen, was trinken können, und weil gerade Mittagszeit war, könnte man doch eigentlich auch gleich etwas essen. Die Wiener Würstchen auf Pariser Ausflugsdampfern müssen aus derselben Quelle stammen wie jene, die auf der Frankfurter Buchmesse verkauft werden: Sie bestehen aus einer rosa Gummihülle mit nicht genau zu identifizierendem Inhalt und kosten so viel wie zu Hause ein Steak.
Die erste Blase machte sich bei Steffi bemerkbar, als wir in der Nähe des Opernhauses – muss man natürlich auch gesehen haben! – auf einem Mäuerchen saßen und versuchten, uns so wenig wie möglich mit dem Schokoladeneis zu bekleckern. »Ob’s hier im Dreh eine Apotheke gibt? Oder ist so ein Laden für diese Gegend zu profan?«
»Du wirst überhaupt keine Apotheke finden«, behauptete Katja, die Eistüte erst rundherum, dann auch noch von unten ableckend, »höchstens eine Pharmacie.«
Steffi ignorierte diesen Einwurf, meinte vielmehr, ein Schuhgeschäft wäre wünschenswerter, und wenn sie sich nicht irre, dann sei ein Stück weiter oben eins gewesen. »In denen hier« – sie deutete mit der Eistüte auf ihre Slipper und tropfte sie auch prompt voll – »halte ich unsere Gewaltmärsche die restlichen zwei Tage nicht mehr durch. Hat jemand ein Tempo?«
Nicki zog ein aber schon sehr zerfusseltes Papiertuch aus der Hosentasche. »Für die Füße langt’s! Hast du denn keine anderen mit?«
»Doch, die schwarzen mit Absatz. Hätte ja sein können, dass Määm mit uns zu Maxim’s geht oder ins Ritz. Für Stadtbesichtigungen sind sie aber völlig ungeeignet.«
Ob es nun an der Pharmacie lag, die wir nicht fanden, oder an der Aussicht, wenigstens zehn Minuten lang auf einem bequemen Stuhl in einem klimatisierten Raum sitzen zu können, weiß ich nicht mehr, aber wir landeten in einem Geschäft, das sich in erster Linie auf Sportschuhe spezialisiert hatte.
»Die sind hier alle viel billiger als bei uns!«, stellten die Mädchen nach einem ersten Rundblick fest, wohl wissend, dass
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