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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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wegen irgendwelcher Lügenmärchen verscherzt. Er war so klein wie das Land, ein Kleingeist, der die Verbindung zum Kreutz-Konzern abbrach, weil da diese Verleumdungen aufkamen, dass es Verbindungen zu den Menschenversuchen in den Arbeitslagern der Nazis gab, die in den Zeitungen aufgebauscht wurden. Sein Vater hatte ihm verboten, die Kontakte zur deutschen Familie Kreutz aufrechtzuerhalten. Er, der den Sohn und die Tochter in den Schoß der Familie zurückgeführt hatte, damit sie ihre Ausbildung in Deutschland und im Familienunternehmen erhielten. Es hatte heftige Auseinandersetzungen zwischen ihnen gegeben. Sævar Kreutz war nicht bereit, die Verbindungen abzubrechen, im Gegenteil, er hatte vor, sie zu intensivieren. Rannveig hatte versucht zu vermitteln, die gute Rannveig. Er wäre gern bei ihr gewesen, als sie starb. Er hätte bei der Beerdigung sein wollen. Auch sie hatte kein Verständnis für ihn. Er hatte versucht, ihr klar zu machen, was er sich vorgenommen hatte, weswegen er so fest daran glaubte, dass alles, was er tat, richtig war; es ging nur um die selbstverständliche Fortführung unerhört wichtiger wissenschaftlicher Entdeckungen, die im zwanzigsten Jahrhundert gemacht worden waren. Der Kreutz-Konzern hatte diesen Schritt gewagt, den Schritt in die Zukunft. Er selbst hatte Anteil daran, die Zukunft zu gestalten.
    Diese unzusammenhängenden Gedanken gingen Sævar Kreutz wie in einer Rückblende durch den Kopf. Ansonsten machte er sich selten Gedanken über sein Privatleben, seine Karriere, seine Familie, das alles bedeutete ihm nichts. Das Einzige, was für ihn eine Rolle spielte, waren die neuen Wissenschaften. Er saß bei dem Jungen und ging im Geiste alles wieder und wieder durch, und stets kam er zu demselben unumstößlichen Ergebnis: Ihm war eine enorm wichtige Aufgabe zugedacht, eine Aufgabe von historischen Dimensionen. Die Natur selbst war am Werk, Gott war sein Zeuge, ja, und sein Leitstern. Sævar Kreutz erinnerte sich an die Worte seiner Schwester. Sie hatte gesagt, er sei abnormal. Das war das Wort, das sie verwendet hatte.
    Abnormal.
    Sævar Kreutz umarmte den Jungen. Er liebte niemanden mehr als diesen Jungen.
    Du bist nicht abnormal, dachte er in der Sprache seiner Vorväter.

Einundvierzig
    Erik Faxell war gerade am Telefon, als er im Vorzimmer Lärm hörte und kurze Zeit darauf einen Jammerlaut seines Sekretärs. Die Tür zu seinem Büro wurde aufgestoßen und hereingestürmt kam Kiddi Kolke, gefolgt von Pálmi.
    »Was soll das heißen?«, fragte Erik scharf. Er stand am Schreibtisch und hielt die Hand über die Sprechmuschel. »Wer seid ihr eigentlich, und was soll das Ganze?«, fuhr er fort, wechselte dann aber plötzlich den Tonfall und erklärte seinem Gesprächspartner höflich, dass er in ein paar Minuten zurückrufen würde.
    »Dir und diesem Sævar Kreutz schwimmen jetzt sämtliche Felle davon«, verkündete Kiddi Kolke schadenfroh und schaute sich in dem luxuriös eingerichteten Raum um.
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine damit, dass das Ganze hier zusammenkracht.« »Sie haben mich angegriffen, diese unverschämten Kerle«, ließ der Sekretär in der Tür vernehmen.
    »Sieh zu, dass du nach Hause kommst«, sagte Erik Faxell mit einer abwehrenden Handbewegung, »und mach die Tür hinter dir zu.«
    »Ja, oder verständige die Polizei, das wäre noch besser«, sagte Kiddi Kolke.
    »Raus!«, befahl Erik seinem Sekretär, der die Tür leise hinter sich schloss. »Was soll dieser Quatsch mit Sævar Kreutz?« »Wir wollten dich bitten, mit uns zu ihm zu fahren«, sagte Kiddi Kolke.
    »So weit kommt’s noch. Ihr bildet euch doch wohl nicht ein, dass ein Mann wie Sævar Kreutz etwas mit euch zu besprechen hätte. Und überhaupt, was habe ich denn damit zu tun?«
    »Ach so, ach so, man geriert sich wie der Engel, der Lilien scheißt«, entgegnete Kiddi Kolke und ging auf Erik Faxell zu. »Wir wissen ganz genau, dass du Sævars Handlanger bist und seine rechte Hand. Wir wissen, dass Sævar Kreutz vor dreißig Jahren oder so ein armes Lehrerschwein in der Víðigerði-Schule dazu gebracht hat, die ganze Klasse mit irgendwelchem Dope abzufüllen, weil er feststellen wollte, wie sich dieses Scheißpräparat auf die Kinder auswirkte. Höchstwahrscheinlich hast du diesen Lehrer dazu gebracht, für euch zu arbeiten. Du bist wahrscheinlich dieser Grobian, von dem er immer geredet hat, obwohl du im Augenblick geradezu zahm wirkst, du gibst eher eine ziemlich jämmerliche Figur ab. Und

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