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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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erwartungsgemäß ließen sich die Gäste von der Insel und ihrer Geschichte faszinieren. Deutsche hatten generell großes Interesse an Island, seiner Kultur und Literatur und diesem nordischen Völkchen, das sich da angeblich im Nordatlantik gehalten hatte. Er zeigte ihnen abgelegene Orte in Westisland, wo man möglicherweise geeignetes Bauland für den Konzern finden könnte. Später nahmen die deutschen Partner aber wieder Abstand von dem Gedanken, in Island zu bauen. Zumindest nicht im Augenblick.
    Kurz nachdem sie wieder in Deutschland waren, kamen die ersten Nachrichten von den Aalen im Rhein, und ausgerechnet bei der Loreley, dachte Sævar Kreutz. Die industrielle Verschmutzung des Flusses hatte damals so überhand genommen, dass die Aale an Land gingen, um Sauerstoff zu bekommen. Sie hielten es nicht länger in der ekelhaften Dreckbrühe mit all den Giftstoffen der Industrie aus. In dem historisch bedeutenden und schönen Strom war alles Leben abgestorben. Kranke und tote Fische trieben an Land. Die Aale hielten sich am Leben, indem sie sich Sauerstoff aus der Luft holten, sie kamen aus dem Wasser, um zu atmen.
    Widernatürlich, dachte Sævar Kreutz und streichelte dem Jungen über den Kopf. Er hatte ein ganz spezielles Interesse an Nachrichten über abweichendes Tierverhalten, das auf den Umgang des Menschen mit der Natur zurückzuführen war. Fasziniert las er Meldungen über Schildkröten, die auf den Galapagosinseln an Land gingen, um ihre Eier abzulegen, aber statt wieder ins Meer zurückzukehren, krochen sie weiter ins Land, wo sie den Angriffen der Vögel ausgesetzt waren; er las über Hyänen in Afrika, die in menschliche Siedlungen einfielen; er las über Singschwäne in Island, die Schafe angriffen und töteten. Solche Nachrichten sammelte er. Sævar Kreutz saß in seinem Arbeitszimmer und der ältere Junge stand neben ihm. Der jüngere spielte vor ihnen auf dem Fußboden. Auf Island fühlte er sich wohl mit ihnen, und er nahm sie mit dorthin, wann immer sich die Möglichkeit bot. Es konnte riskant sein, mit ihnen zu reisen, vor allem mit dem älteren, aber er ließ sich nicht dadurch abschrecken. In Island waren sie zu Hause. Eines Tages würde er ihnen sagen, wie alles zusammenhing. Aber die Zeit war noch nicht reif dafür. Noch nicht. Sie würden es in absehbarer Zeit zu wissen bekommen, und er fürchtete sich nicht vor ihrer Reaktion. Er fürchtete sich nicht vor der Zukunft oder vor dem Urteil der Geschichte. Er freute sich darauf, von seinen Großtaten berichten zu können.
    Sævar Kreutz widerstrebte es, die Jungen zur Schau zu stellen, und ihm war nicht wohl bei dem Gedanken an den Besuch der Koreaner. Doch von Anfang an hatte er vorgehabt, gemeinsam mit den deutschen Partnern ins Geschäft zu kommen, und jetzt würde er keinen Rückzieher mehr machen können. Dazu gab es auch gar keinen Grund. Die Welt würde zwar eine Weile dazu brauchen, um diesen Beitrag zur Wissenschaft würdigen zu können, aber er war davon überzeugt, dass er mit der Zeit als Revolution ohnegleichen gefeiert werden würde.
    Er würde Vorkehrungen treffen müssen, um unter Umständen Hals über Kopf mit den Jungen das Land verlassen zu können. Die Polizei war bei ihren Nachforschungen auf ihn gestoßen, und wahrscheinlich war es nur noch eine Frage der Zeit, wann sie nach Kjalarnes kamen. Bevor es dazu kam, musste er bereits außer Landes sein. Vielleicht würde er nie wieder nach Island zurückkehren. Damit musste man sich abfinden. Er betrachtete sich kaum noch als Isländer, falls er denn überhaupt je einer gewesen war. Das Land fand er schön und seine Geschichte bedeutsam, aber die Menschen waren nicht nach seinem Geschmack.
    »Sie verstehen so etwas nicht«, sagte er laut zu sich selber, »diese einfältigen Provinzler, die sich einbilden, die Welt zu kennen.« Sævar Kreutz bereute nichts von dem, was er gemacht hatte, als er seine Experimente mit Medikamenten durchführte. Er hatte sich nie die Schuld daran gegeben, wie es den Jungen in der Víðigerði-Schule ergangen war. Was er getan hatte, war zum Wohle der Allgemeinheit. Falls es Opfer gekostet hatte, war daran nichts zu ändern. Was war nicht alles im Interesse der Wissenschaften geopfert worden?
    Sein Vater hätte das nie verstanden. Ein drittklassiger Pharmazeut, dem ein blühendes Unternehmen und profitable Verbindungen zum deutschen Konzern überantwortet wurden, das auf dieser kleinen Insel zu einer Großmacht hätte werden können. Das hatte er

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