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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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noch wilder. Dabei fühlten sie sich teilweise richtig elend. Die Jungs waren alle prima, und wir haben viel zusammen ausgeheckt. Im Fußball waren wir nicht zu schlagen. Die Luschenklasse kriegte plötzlich die besten Noten an der ganzen Schule, obwohl ich hinterherhinkte – und die Mädchen natürlich auch. Ein ganz komischer Winter, aber trotzdem ist nie jemandem eingefallen, dass da vielleicht irgendwas nicht stimmen könnte. Noch nicht einmal, als Aggi und Gísli starben. Für uns waren das zwei Unfälle, die nichts miteinander zu tun hatten. Uns fiel nicht ein, sie mit den Lebertranpillen in Verbindung zu bringen, das war außerhalb unserer Vorstellungswelt. Für uns war Lebertran drin, was anderes wäre uns nie eingefallen. Vielleicht haben wir darüber geredet, dass die Pillen nicht in Ordnung waren, ich weiß es nicht. Wir waren ja bloß zwölf, dreizehn Jahre alt und hatten keine Ahnung, was in der Welt vor sich geht.«
    »Wann ist dir denn der erste Verdacht gekommen, dass mit den Pillen was nicht in Ordnung sein könnte?«, fragte Pálmi.
    »Erst als alles schon längst vorbei war und all meine Freunde entweder Drogen oder Selbstmordversuchen zum Opfer gefallen oder in der Klapsmühle gelandet waren, erst dann fing ich an, über diese Dinge nachzudenken. Zu dem Zeitpunkt war ich schon fast dreißig. Ich kam zu dem Schluss, dass diese Kapseln irgendein Teufelszeug enthalten haben mussten. Natürlich haben wir uns manchmal über Schnaps hergemacht, aber ich nie im gleichen Maße wie die anderen. Und dann fingen sie in diesem Alter schon mit Dope an. Stell dir vor, Junkies in diesem Alter und zu dieser Zeit! Auch Danni. Du musst verstehen, Pálmi, dass wir keine Musterschüler waren, keine Engel. Ehrlich gesagt hatten wir in unserem Viertel einen ganz schlimmen Ruf. Ich weiß nicht, was für ein Bild Sigmar dir von uns gezeichnet hat.«
    »Wusstest du, dass er mit der Polizei gesprochen hat?«
    »Ja, ich hatte Verbindung zu Sigmar«, sagte Kiddi Kolke. »Wir haben gemeinsam festgelegt, was er sagen sollte. Er konnte begreiflicherweise nicht alles sagen, aber es musste genug sein, damit euch klar wurde, um was es ging. Dass es auf keinen Fall Kinder aus der Grundschule waren, die Halldór in Brand gesteckt haben.«
    Kiddi Kolke verstummte für einen Augenblick, fuhr aber dann fort:
    »Wenn ein paar von uns im späteren Lebensverlauf in der Gosse gelandet sind, oder sogar schon als Jugendliche, dann interessierte das im Grunde genommen keinen. Direkt nach der Grundschule zerstreuten wir uns in alle Himmelsrichtungen. Einige zogen mit ihren Eltern in ein anderes Stadtviertel, andere gingen ganz von Reykjavík weg. Wir verloren uns ganz einfach aus den Augen. Dauernd landen ja irgendwelche Leute in der Klapse, ohne dass sich jemand was dabei denkt. Die Leute werden drogensüchtig, sie landen in der Gosse, und sie begehen Selbstmord. Alle paar Jahre habe ich die Bilder von meinen Freunden in der Zeitung gesehen, bis nur noch wir drei übrig waren, Sigmar, Danni und ich. Und selbst, wenn man angefangen hatte, sich zu fragen, ob da etwas ganz anderes dahinter stecken könnte – der Gedanke, dass da womöglich herumexperimentiert worden war, hörte sich an, wie aus einem billigen Science-Fiction-Roman. Ein Präparat wird an Kindern getestet, und die Folge ist, dass sie später völlig den Boden unter den Füßen verlieren. Das war doch unvorstellbar.«
    »Aber warum dieses Versteckspiel? Dieser neue Name? Warum, Jóhann?«
    »Nachdem ich lange über das Ganze nachgedacht hatte, habe ich vor dreizehn Jahren versucht herauszufinden, was in den Pillen gewesen ist. Ein Zufall ergab den anderen. Ich bin zuerst ins Gesundheitsministerium gegangen und habe alle Informationen über die Lebertranzuteilungen an den Volksschulen bekommen. Ich ging davon aus, dass der Hersteller dieser Lebertrankapseln für deren Lieferung an die Schulen verantwortlich war. Der fiel aber aus allen Wolken. Damals waren schon seit Jahren diese Pillen nicht mehr kostenlos verteilt worden. Er hat mir sämtliche Berichte und Unterlagen der Firma gezeigt, das hat aber überhaupt nichts gebracht. Meine Nachforschungen hatten aber Aufsehen erregt, und ich hatte plötzlich das Gefühl, dass ich beschattet wurde. Ich habe auch versucht, die Krankenschwestern ausfindig zu machen, die damals in die Schule kamen und die Blutproben entnahmen, aber damit bin ich nicht weit gekommen, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe. Im Krankenschwesternverzeichnis gab

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