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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Mitleid mit dieser Jammergestalt.«
    »Er war doch nicht mehr richtig bei Verstand. So einen Mann darf man doch nicht ernst nehmen und das tun, um was er einen bittet, und schon gar nicht so etwas Wahnsinniges, wie ihn anzuzünden.«
    »Er hat sich danach gesehnt, Pálmi, und er hat sich die ganze Zeit bei mir bedankt. Ich habe immer wieder gefragt, ob es wirklich das ist, was er wollte, und jedes Mal hat er das froh bestätigt. Er wollte sterben, und er wollte ›genau auf diese Weise sterben‹. Das Feuer spielte eine sehr wichtige Rolle, das hast du auf der Kassette gehört. Das Feuer der Läuterung. Ganz zum Schluss hat er sich auf Jesus berufen: »Wer sein Leben liebt, verliert es, aber wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es bis zum ewigen Leben bewahren.«
    »Du hast ihn am Stuhl festgebunden.«
    »Das hat er verlangt. Er wollte keine Möglichkeit zur Flucht haben.«
    »Aber er war doch nicht mehr bei Verstand. Irgendeine Therapie hätte ihm vielleicht geholfen, aber kein Feuer. Es ist grauenvoll, so einen Wunsch zu erfüllen.«
    »Halldór wollte keine Therapie. Ich bin der Meinung, dass die Menschen selber bestimmen sollten, was sie wollen. Es ist nicht unsere Sache, zu entscheiden, ob etwas gut oder schlecht ist, wenn sie es selbst so wollen. Wir entscheiden selbst über unser Schicksal.«
    »Aber du, wie hast du das über dich gebracht?«
    »Ich habe das Streichholz angezündet und es ihm überreicht. Und dann bin ich rausgerannt. Du darfst nicht glauben, dass mir das leicht gefallen ist, verdammt nochmal, ich bin doch kein Mörder, auf jeden Fall bis jetzt noch nicht. Aber es war Halldórs Wille, und Daníel hat mich gebeten, genau das zu tun, was er wollte.«
    »Hättest du Daníel auch geholfen, wenn er dich darum gebeten hätte?«
    »Danni hat mich nie gebeten, Pálmi, also brauchte ich auch keine Stellung zu beziehen. Selbstverständlich hätte ich mir das schwer überlegen müssen, genauso, wie ich über die Sache mit Halldór nachgedacht und mit ihm darüber diskutiert habe. Ich habe mich nicht wie ein Dieb in der Nacht eingeschlichen und Feuer gelegt. Wir haben lange miteinander geredet, und er hat auch nicht eine Sekunde lang Zweifel gehabt. Meine Aufgabe bestand darin, Daníel das Leben zu erleichtern, und nicht, es ihm zu nehmen.«
    »Du bist als Einziger aus der Klasse übrig.«
    »Das muss wohl einer dieser schicksalhaften Zufälle sein, über die Halldór damals mit Danni geredet hat. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Griechen der Meinung waren, der Zufall spiele die größte Rolle in Bezug auf das Lebensglück. Bei mir wollte es eben der Zufall, dass ich Lebertranpillen schon immer ekelhaft gefunden habe, und ich habe sie entweder anderen gegeben oder weggeschmissen. Das habe ich immer gemacht. Als die Jungs sagten, dass sich der Geschmack verändert hätte, fand ich sie noch scheußlicher und verschenkte auch sie. Bis auf diejenigen, die Halldór uns direkt in den Mund steckte, wie er das manchmal tat, mit diesem merkwürdigen Gesichtsausdruck, wenn er unsere Lippen berührte. Wir haben uns manchmal darüber lustig gemacht. In dem Winter habe ich Danni fast alle meine Pillen gegeben. Er hat die Pillen genommen, die für mich gedacht waren, und du weißt selber am besten, was für Folgen das für ihn gehabt hat. Verstehst du, was ich meine? Ich habe, ohne es zu wissen, dazu beigetragen, dass Danni krank wurde. Kannst du begreifen, wie ich mich gefühlt habe? Viel schlimmer als wegen dem, was ich für Halldór getan habe, das kann ich dir sagen. In dem Winter war ich eine Zeit lang im Krankenhaus.« Kiddi Kolke deutete auf sein Auge. »Als ich zurückkam, hat Halldór dafür gesorgt, dass meine Ration nachgeholt wurde. Die Pillen hat Danni auch alle geschluckt. Dein Bruder war wie verrückt nach diesem Zeug.«
    »Weißt du, was sie enthielten?«
    »Ich habe einen ganz bestimmen Verdacht.«
    »Wann hast du herausbekommen, dass dieses Zeug an euch getestet wurde?«
    »Die eigentliche Bestätigung habe ich erst bekommen, als Halldór auf einmal bei Daníel in der Klinik erschien und ihm von dieser Firma erzählte. Ich hatte schon seit langem den Verdacht, dass diese Pillen etwas mit den tragischen Schicksalen meiner Freunde zu tun hatten, dass sie irgendwie schuld daran waren, wie es ihnen ergangen ist. Die Jungs hatten sich in dem Winter total verändert. Die konnten auf einmal lernen, was früher eine Qual für sie gewesen war. Sie waren schon immer unruhig gewesen, aber jetzt waren sie

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