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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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gekannt?«
    »Ich habe nicht mehr zu sagen.«
    »Du hast das keineswegs nur deiner Freundin Rannveig zuliebe getan, nicht wahr?«
    »Was willst du damit andeuten?«
    »Ich bin überzeugt davon, dass du Sævar Kreutz gekannt hast.«
    Guðrún seufzte und schwieg eine ganze Weile.
    »Er war ein Unmensch«, sagte sie schließlich wie zu sich selber. »Rannveig hat uns miteinander bekannt gemacht. Ich habe ihn einmal zusammen mit ihr besucht. Attraktiv war er auf den ersten Blick, das muss ich zugeben, ein großer, schlanker Mann, aber etwas war da mit ihm. Das wurde mir aber erst klar, als es schon zu spät war. Er benutzt Menschen und wirft sie weg, sobald er sie nicht mehr gebrauchen kann. Rannveig hatte schon lange vor ihrem Tod die Verbindung zu ihm völlig abgebrochen. Lange Zeit hat sie nicht zugeben wollen, wie er in Wirklichkeit war, aber irgendwann hatte auch sie kein Verständnis mehr für ihn aufbringen können, und sie haben sich immer weiter voneinander entfernt. An diesem ersten Abend, als wir zu Besuch kamen, tat er so, als sei ich die Traumprinzessin seines Lebens. Er überschüttete mich mit Komplimenten und flirtete mit mir wie ein Hollywoodcharmeur, und ich fiel darauf herein. Ich war schon über dreißig und unverheiratet. Ich habe nie geheiratet. Ich verliebte mich an diesem Abend in Sævar Kreutz. Da ihm so viel daran gelegen war, dass wir für ihn arbeiteten, kam er aber bald zur Sache und erzählte uns von diesen Blutgruppenuntersuchungen und dass er nicht darauf warten könne, bis sich die Mühlen der Bürokratie in Bewegung setzten. Ich glaube, Rannveig hat damals auch zum ersten Mal davon gehört. Ich war so eingenommen von diesem Mann, dass ich alles für ihn getan hätte.«
    »Also war es nicht Rannveig, die dir von diesem mysteriösen Projekt erzählt hat?«
    »Diese Variante ist angenehmer für mich. Wahrscheinlich habe ich mir das selber so oft vorgesagt, dass ich zum Schluss selbst daran geglaubt habe. Alles ist besser als die Wahrheit.«
    Erlendur bot ihr noch eine Zigarette an und gab ihr Feuer. »Ich habe mich ein paar Mal mit ihm getroffen, er war immer der gleiche Charmeur, aber irgendwie spürte ich bald, dass er unverbindlich blieb. Er war immer distanziert, auch wenn er liebenswürdig war oder sich so gab. Nach diesem Winter, als alles vorbei war, hörte er plötzlich auf, sich bei mir zu melden. Ich versuchte, ihn anzurufen, ich habe ihm sogar einen Brief geschrieben, aber auf einmal war er völlig verändert, er war kalt und abweisend. Als ich schließlich zu ihm nach Hause gegangen bin, hat er mir gesagt, ich solle alles vergessen. ›Forget it‹, sagte er an der Tür zu mir und knallte sie mir vor der Nase zu. Forget it.«
    »Seid ihr miteinander ins Bett gegangen?«, warf Erlendur ein.
    »Ist das wirklich notwendig?«
    »Manchmal ist meine Arbeit ziemlich unerfreulich.«
    »Ja, wir haben miteinander geschlafen. Und dann stand ich da vor seinem Haus und begriff überhaupt nichts. Ich klingelte noch einmal und hämmerte an der Tür, aber er ließ sich nicht mehr blicken. Danach habe ich ihn nie wieder getroffen. Es hätte nicht schlimmer sein können, wenn er mich vergewaltigt hätte.«
    »Deswegen hast du nie zuvor jemandem davon erzählt.«
    »Sævar Kreutz hat eine besondere Gabe dafür, einen dazu zu bringen, dass man über diese Bekannschaft Stillschweigen bewahrt.«
    Guðrún war aufgestanden. Sie gab Erlendur die Hand und stand schon in der Tür, als sie sich langsam wieder umwandte und nachdenklich sagte: »Rannveig hat ganz bestimmt nichts über dieses Forschungsprojekt gewusst, davon bin ich überzeugt. Sie hat nie darüber geredet, aber irgendwann einmal war sie ganz niedergeschlagen und erklärte mir gegenüber, dass ihr Bruder wohl verrückt geworden sei. Ihrer Meinung nach befasste er sich mit Dingen, mit denen niemand experimentieren sollte. Mehr wollte sie nicht sagen, aber ich kann mich erinnern, wie schockiert sie über ihren Bruder war. Ich glaube, dass sie danach nie wieder mit ihm gesprochen hat.«
    Nachdem Guðrún gegangen war, kam Sigurður Óli in Erlendurs Büro, und Erlendur berichtete ihm, was er von Guðrún erfahren hatte. Er bat Sigurður Óli, das noch für sich zu behalten. Der Fall hatte ganz andere Dimensionen erhalten, die ebenso unangenehm wie heikel waren.
    »Was waren noch die Buchstaben, die Sigmar zu schreiben versucht hat?«, fragte Sigurður Óli und nahm sein kleines Notizbuch heraus. »E und A. Glaubst du, dass er das auf seinen

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