Menschenteufel
Ecke. Oder an
einem Baum. Wenn er so weit kam. Nur nicht daran denken. Tief Luft holen.
Aber so etwas …
Langsam wich das Entsetzen der Wut. Er spürte, wie er ruhiger wurde.
Das dritte Bild würde er trotzdem nicht öffnen. Was er gesehen hatte, genügte
ihm. Er verdächtigte Harry, mit solchen Bildern einen geheimen Voyeurismus zu
befriedigen. Den musste er nicht noch unterstützen.
»Wie ist das gemacht, dass der Körper steht? In dieser seltsamen
Haltung. Mit diesen … Beinen.«
Sein Vater begann gegen die Plastiktür zu trommeln.
»Verd…, sei still!« Fast hätte er geschrien. »Ich komme so schnell
wie möglich«, sagte er und wollte schon die Ende-Taste drücken, fügte aber
schnell noch hinzu: »Baut irgendeinen Sichtschutz gegen die Medien auf und
komplette Nachrichtensperre!«
»Was ist denn hier los?«
In der Badezimmertür stand Claudia. Verschlafen, mit wirren Locken
über ihrem Gesicht. Verführerisch, in einem anderen Moment sicherlich. Sie
blinzelte ins helle Licht.
»Dich schickt der Himmel!«
Er wagte nicht zu fragen, ob sie die weitere Reinigung seines Vaters
übernehmen konnte. Die Reaktion konnte er sich vorstellen.
»Wohl eher ein nächtlicher Trommler. Puh, hier stinkt’s!«
Sie prüfte den Sitz ihres dunkelgrünen T-Shirts und der kurzen
Chino. Freund konnte sich gar nicht erinnern, wann sie den BH ausgezogen hatte. Unter der Kleidung zeichneten sich
die sehr weiblichen Rundungen ihres kleinen Körpers ab.
Wieder einmal öffnete er die Duschtür. Der Lärm hörte auf.
»Die Schmutzwäsche ist schon in der Maschine. Das Bad habe ich
sauber gemacht. Er hatte alles eingekotet. Gerade wollte ich ihn waschen, da
kam der Anruf.«
An ihm vorbei betrachtete Claudia ihren Schwiegervater. Den knochigen
Körper nur von Tropfen bedeckt, stand er in der Zelle und wusste nicht, wohin
mit der Seife in seiner Hand. Auf einmal tat er Freund leid.
»Ich muss zu einem Einsatz.«
»Zuerst muss dein Vater wieder ins Bett. Aber sauber!«
Sie schien den Putzkünsten ihres Mannes nicht zu trauen. Mit ihren
bloßen Füßen blieb sie draußen stehen.
»Ich …«
»Wir haben es bis zum Erbrechen diskutiert, Laurenz«, unterbrach sie
ihn mit scharfem Flüstern, um die Kinder nicht zu wecken. »Ich bin zu müde für
einen Streit. Ich unterstütze dich, wo ich kann. Aber ich habe morgen genauso
einen Zwölfstundentag wie du.«
Meiner wird morgen länger, dachte Freund.
»Das musst du selber machen«, fuhr sie fort. In ihren Augen sah er
die Tränen hochsteigen. »Du wolltest das so. Obwohl du weißt, dass es so nicht
weitergeht. Wir brauchen eine Ganztagspflege. Oder er geht ins Heim.«
Sie wandte sich um und verschwand. Der Zorn stieg in ihm hoch. Und
fiel kraftlos in sich zusammen. Es gab nichts zu diskutieren. Nur zu tun. Auch
er war zu müde. Zu fertig, um nachzudenken. Ein Handgriff war noch nicht
beendet, schon warteten zehn andere. Eine Entscheidung war gefällt, schon
drängten sich zwanzig neue auf. Schlafen wollte er. Nur mehr schlafen.
Zum wievielten Mal drehte er jetzt an diesem Wasserhahn? Die Brause
spritzte ihn von oben bis unten nass, als er seinem Vater den Kopf rubbelte, härter,
als es vielleicht notwendig war, den ganzen Körper einseifte, schrubbte,
wischte, spülte.
»Und heraus mit dir.«
Eine große Lache bildete sich um die knorrigen Füße des alten
Mannes.
»Hier. Ein frischer Pyjama.«
Claudia stand neben ihm und reichte Freund die Hose. Das Hemd zog
sie dem alten Mann selber an. Sie roch gut. Nach frischer Nachtluft,
taufrischem Gras und wilden Rosen. Sie nahm seinen Vater an der Hand und führte
ihn behutsam in sein Zimmer zurück. »Komm, geh wieder ins Bett«, flüsterte sie
dem Greis im Dunkeln zu. Widerstandslos folgte er ihr mit steifen, kurzen
Schritten.
»Du musst los«, sagte sie über die Schulter zu Freund. »Und zieh dir
vorher was Trockenes an.«
Er drückte ihr einen Kuss in den Nacken. Sie stützte den
schlurfenden Alten auch mit der zweiten Hand und begleitete ihn in Zeitlupe,
ohne sich noch einmal umzudrehen.
Mit trockenem Hemd und schlechtem Gewissen fuhr Freund den Berg
hinab. Vor wenigen Tagen erst war ein Streit zwischen ihm und Claudia
eskaliert. Danach saß sie heulend im Schlafzimmer der Stadtwohnung, und er
übernachtete auf der Wohnzimmercouch. Sie hatte recht. So durfte es nicht
weitergehen. Keiner von ihnen konnte sich mehr auf seine Arbeit konzentrieren.
Die Kinder kamen auch zu kurz.
Noch einmal rief er Harry an.
»Steht der
Weitere Kostenlose Bücher